1959: Aue erkämpft seinen dritten Meistertitel
Das 1959er-Meisterschaftsjahr in der DDR-Oberliga war spannend wie lange nicht. Obwohl es zahlreiche Pausen im Spielplan gab, sorgten die knappen Punktestände an der Tabellenspitze und im Kampf um den rettenden zwölften Platz für großes Interesse. Mit dem SC Wismut Karl-Marx-Stadt und dem ASK Vorwärts Berlin hatten sich in den letzten Jahren zwei Spitzenmannschaften herausgebildet. Ein Jahr zuvor, 1958, entschieden die Armeefußballer das Rennen für sich. Für Vorwärts war es der erste von sechs Meistertiteln und der Beginn einer bis 1970 anhaltenden Erfolgsära. Natürlich wollten die ASK-Spieler den Titel zum zweiten Male erringen, was zuvor Erfurt und Aue schon gelungen war.
Aber auch die Wismut-Elf wollte es noch mal wissen, denn es waren die Routiniers Bringfried Müller, Karl und Siegfried Wolf sowie Willy Tröger, die immer noch an Bord und erfolgreich waren. Dazu wurden ins bewährte Mannschaftsgefüge talentierte Spieler wie Dieter Erler (kam von Wismut Gera) oder Gottfried Eberlein (Aufbau Aue Bernsbach) eingefügt. Beide Teams lieferten sich über die gesamte Saison einen erbitterten Zweikampf um den Titel. Wismut spielte gleichbleibend gut und das sollte die Grundlage für den dritten Titelgewinn sein. Nach Abschluss der ersten Halbserie im heißen Juli hatten die Erzgebirger vier Punkte Vorsprung (Aue 21:5, ASK 17:9) auf den amtierenden Meister. Auch wenn dieser Vorsprung zeitweise wieder verloren ging – wie in der 19. Runde, als der ASK im heimischen Stadion gegen Wismut knapp mit 2:1 siegte und beide punktgleich waren –, so waren es doch am Ende entscheidende Punkte, die man den Berlinern voraus hatte und deren Titelverteidigung damit verhindert werden konnte.
Wichtige Siege für die Kumpelelf waren dabei in der Hinserie die 2:1-Erfolge bei Aktivist Brieske- Senftenberg und zu Hause gegen den direkten Rivalen aus Berlin. Nicht nur in diesen Spielen boten Manfred Kaiser und Siegfried Wolf eine überragende Läuferpartie. Gegen die Kampfkraft und den Einsatzwillen aller Wismut-Spieler hatten die Armeefußballer keine Chance. Der Titelverteidiger spielte in jenem Jahr sehr wechselhaft. Nach dem 2:0 im Auftaktspiel gegen Weißenfels schafften die Vorwärts-Fußballer in den nächsten vier Partien jeweils nur ein 0:0 und schossen damit 419 Minuten lang kein Tor. So konnte man nicht Meister werden, ganz zu schweigen davon, dass die Berliner viele Zuschauer verloren. Zwischen dem 13. und 23. Spieltag blieb der Titelverteidiger jedoch ungeschlagen und kämpfte sich wieder heran. Doch die alten Wismut-Hasen gaben sich in den restlichen vier Punktspielen keine Blöße mehr. Bei drei Siegen wurde nur noch ein Punkt abgegeben. Vor dem letzten Spieltag konnten beide Teams noch Meister werden. Die Bilanzen zu dem Zeitpunkt: Wismut 42:25 Tore, 37:13 Punkte; ASK 47:21 Tore, 35:15 Punkte. Die Berliner mussten nach Erfurt zu Turbine, Wismut spielte in Leipzig gegen den SC Lokomotive. So ging die Serie für die Auer auch zu Ende, wo sie begonnen hatte, denn als Vorbereitung auf das Europacupspiel gegen Young Boys Bern hatte man das erste Spiel gegen Lokomotive Stendal unter Flutlicht im Leipziger Zentralstadion ausgetragen. Am 1. März endete diese Begegnung mit einem 2:0-Erfolg der Erzgebirger. Dieter Erler und Siegfried Wolf waren die beiden Torschützen, die am 29. November den dritten Meistertitel sicherten. Bis zum 1:0 war das Spiel sehr verkrampft, denn durch das bessere Torverhältnis der Berliner durften die Spieler um Kapitän „Binges” Müller nicht verlieren. Als jedoch aus Erfurt die 2:0-Führung der Thüringer gemeldet wurde, war alles entschieden und Wismut spielte nun sicher auf. Den stets zuverlässigen Kapitän Bringfried Müller hob man nach dem Schlusspfiff dann auch zuerst auf die Schultern. Trauer dagegen in Erfurt beim zweimaligen Meister (1954 und 1955). Zwar gewann Turbine am Ende mit 3:2 gegen den enttrohnten Meister ASK Vorwärts, aber weil der SC Einheit Dresden dank seines ersten Auswärtssieges (1:0 in Jena) in letzter Minute jubelte, mussten die Erfurter 1959 erstmals in die zweitklassige DDR-Liga absteigen.
Plakat vom nach Leipzig verlegten Heimspiel. Der SC Wismut wollte sich auf sein Auswärtsspiel im europäischen Meistercup bei Young Boys Bern vorbereiten: Die Erzgebirger testeten ihre Flutlicht-Tauglichkeit. Am Tage der Eröffnung der Leipziger Frühjahrsmesse pilgerten immerhin 20.000 Zuschauer in die 100.000-Mann-Schüssel. Sie erlebten noch vor der Pause einen Doppelpack des Wismut-Halblinken Lothar Killermann und einen 2:0- (Heim-)Sieg der Auer. Quelle: Sportmuseum Leipzig
Viel Zeit zum Feiern blieb jedoch für die Mannen um Trainer Gerhard Hofmann nicht, denn eine Woche später wartete das FDGB-Pokalfinale auf den SC Wismut. Groß war die Chance, als erste Mannschaft in der DDR beide Wettbewerbe für sich zu entscheiden. Der Gewinn der Meisterschaft fand weithin Beifall, denn das Team war nicht nur im Erzgebirge beliebt und hatte auch in jener Saison in den Europapokalspielen prächtig aufgetrumpft. Erst in einem erforderlich gewordenen dritten Spiel unterlag man im Viertelfinale des Landesmeistercups dem Schweizer Fußballmeister Young Boys Bern in Amsterdam mit 1:2. Im Pokalfinale musste der SC Wismut gegen den Meisterschaftsdritten SC Dynamo Berlin antreten. Im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion standen beide Abwehrreihen sicher, sodass nach 120 torlosen Minuten noch keine Entscheidung gefallen war. Erstmals musste ein FDGB-Pokalfinale wiederholt werden. In diesem zweiten Spiel gab es jedoch kein Happyend für die Kumpelelf. Zweimal konnten Willy Tröger und Siegfried Kaiser eine Berliner Führung ausgleichen. Als jedoch unmittelbar nach dem 2:2 den Hauptstädtern die erneute Führung gelang, war der Widerstand der Erzgebirger gebrochen.
Text: Burg
Fotos: Burg, Archiv FCE