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Als „Toppis” Team am Aufstieg schnupperte

Klaus Toppmöller bleibt auch vier Jahrzehnte nach seiner Zeit als Stürmer mit 108 Treffern in acht Jahren Bundesliga der Rekordtorschütze beim 1. FC Kaiserslautern. Einen Namen machte sich der Fußballer aus der Eifel später als Trainer bei Klubs wie Eintracht Frankfurt, VfL Bochum, Bayer Leverkusen oder HSV. Weniger bekannt, dafür in Aue unvergessen ist sein gut halbjähriges Engagement beim damaligen FC Wismut. Nur knapp (und unter die Gemüter von Wismut-Fans bis heute aufregenden Umständen) verpassten die Veilchen 1991 den Sieg in Liga-Staffel B und damit die Qualifikation um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Im kommenden Sommer feiert „Toppi” siebzigsten Geburtstag. Ein Grund mehr, an einen prägenden Coach der Auer Fußballgeschichte zu erinnern. 


„Einmal Aue, immer Aue” skandieren die Fans des FC Erzgebirge im Stadion. Sie sagen einmal Rivenich, immer Rivenich?
Auf jeden Fall, hier bin ich geboren, habe ein Haus gebaut. Ich kenne kein Foto mit mir zwischen drei und sechzehn Jahren, auf dem ich ohne Ball drauf bin. In Rivenich kennt jeder jeden. Wir leben in einer wunderschönen Gegend und wer mal da war, weiß, wie wir von der Mosel feiern können. Meine Eltern waren die Wirtsleute im Dorf, ihre Kneipe war immer rappelvoll. Der Fluss, die Weinberge, Trier, Luxemburg, Belgien – alles um die Ecke. So mancher Auer, zum Beispiel Volker Schmidt, hat mich besucht und das erlebt. Und in Rivenich haben wir nie Schnee, ich hasse Schnee.

Trotzdem zog es Sie als jungen Trainer ins oft weiße Erzgebirge. Wie kamen Sie nach Aue?
Ich glaube, zu meiner Auer Zeit lag kaum Schnee dort. Aber im Ernst, mir hat es bei Euch sehr, sehr gut gefallen. Nette Menschen, hübsche Landschaft und diese Riesen-Fußballbegeisterung. Zu einigen Weggefährten habe ich drei Jahrzehnte später noch einen guten Draht, etwa zu Bertram Höfer und Herbert Ischt. Es war Wendezeit. Mit ein paar Freunden fuhr ich im Herbst 1990 in den Osten, uns interessierte, was dort passiert. Müggelsee, Leipzig, Dresden, Aue waren Stationen des kurzen Trips. Im Hotel Blauer Engel spielten wir Skat mit Bertram, Herbert und ein paar mehr Leuten, die damals alles gaben, um Wismut Aue zu retten. Sie suchten einen Trainer. Es brauchte ein paar Biere, ehe ich für drei Spiele Ende 1990 zusagte. Mehr war nicht geplant, denn ich hatte die Familie an der Mosel und keine Lust auf die über 600 Kilometer nach Aue. Bei den damaligen Straßen eine Tagesreise.


Sie blieben dann aber doch bis Ende Mai 1991, bis zum Ende der Punktspielserie…
Es hatte mich gepackt. Die Mannschaft war verunsichert, aber sie überraschte mich sofort mit ihrer Qualität. „Flocke” Weißflog, Volker Schmidt, Enrico Barth, René Hecker, Stefan Persigehl und andere hatten das Zeug für die zweite Liga. Es hat dann auch sensationell funktioniert. Wir waren die beste Mannschaft der Liga-Stafel B, hätten den Aufstieg verdient gehabt. Ich konnte den Spielern Freiheit lassen, sie wollten das Ziel unbedingt schaffen und machten sich selber Druck. In meiner Zeit hat Aue übrigens kein einziges Spiel verloren. Kurz, ich hatte Blut geleckt. Umso bitterer war für alle, was nach dem Skandalspiel in Zwickau am „grünen Tisch” passierte. Danach hatte ich mit dem Fußball abgeschlossen. Für eine Weile jedenfalls.

Das vorletzte Saisonspiel am 22. Mai in Zwickau wurde nach schweren Ausschreitungen von FSV-„Fans” nach 66 Minuten abgebrochen und später 4:1 für Aue gewertet. Am letzten Spieltag gewann Wismut gegen Motor Weimar 4:1, Zwickau siegte in Tiefenort 9:0 und kam in die Qualifikation für den Zweitliga-Aufstieg. Wie beurteilen Sie die Entscheidung der Funktionäre nach der Randale?

Was im Zwickauer Stadion passiert war, hatte mit Fußball nichts zu tun. Der Schieri war von Anfang an nicht unser Freund. Emotional, wie ich war, wurde ich vom Platz gestellt und erlebte die Gewalt sozusagen hinter Gittern. Steine flogen, der Platz wurde gestürmt, unsere Spieler wurden beschimpft und angegriffen. Selbst im Bus bedrohten sie die Auer Mannschaft. Und Zwickau war am Ende obenauf, das war Unrecht. Ich fuhr selbst mehrere Male nach Berlin, wo der Fall verhandelt wurde, aber es nutzte nichts. Gegen Weimar siegten wir 4:1, doch es reichte am Schluss nicht für Platz eins. Die Euphorie im Auer Lager war gewaltig, das war unser Hauptproblem an dem Tag. Wir kamen schwer ins Spiel, denn der Druck war groß. Schnell lag Aue 0:1 hinten. Zudem hielt der Gästetorwart wie ein Weltmeister. Stark, wie wir dann zurückkamen und deutlich gewannen. Doch es ging weiter, im Laufe der Jahre auch ziemlich erfolgreich. Für mich als Trainer und für Aue in der 2. Bundesliga, wo man längst eine feste Größe und gerade in dieser Saison wieder sehr gut dabei ist. Zum Glück bleibt mir mehr und Wichtigeres über meine Auer Monate im Gedächtnis als ein Skandalspiel.

 

 

Was zum Beispiel?

Die sensationelle Atmosphäre mit fantastischen Fans, damals sprach man schon vom Schalke des Ostens. Die lange Treppe runter zum Platz. Sympathische, wahnsinnig nette Menschen. Und das Steigerlied! Später, bei meinem Antritt als Trainer in Bochum, wo es genauso wie in Aue Kult ist, konnte ich das Lied schon singen. Weihnachten ist sensationell schön bei Euch, das Lichtermeer in Schneeberg vergess’ ich nie. Als dann Dino in Aue spielte, habe ich mich sehr gefreut, auch für ihn war es eine wichtige Etappe. Übrigens war ich vor rund zehn Jahren noch mal als Aue-Trainer im Gespräch. Der Verein hat dann anders geplant, aber es hätte mich noch mal gereizt.

 

 

Wie geht es Ihnen aktuell?

Gut. Für Rosi und mich ist Rivenich das Paradies. Wir haben eine große Familie, darunter fünf Enkel. Sie ist unser Ein und Alles. Ich war auch mal vier Jahre im Gemeinderat, aber da müssen jetzt Jüngere ran. Wenn Zeit ist schaue ich Sport, allerdings lieber Football als Fußball. Ein Erbe meiner Zeit drüben in Amerika.

 

 

Sie waren in letzter Zeit wieder mal in Aue?

Nein, aber ich habe Bertram Höfer schon lange versprochen zu kommen. Sobald es die Umstände zulassen, fahre ich hin. Zum Fußball gucken, um das neue Stadion zu erleben und hoffentlich auch alte Freunde wiederzusehen.

 

Text: Olaf Seifert