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Cheftrainer Dirk Schuster: „Man muss immer Ziele haben”

Am 26. August übernahm Dirk Schuster das Cheftraineramt beim FC Erzgebirge. Mit dem 51-Jährigen kam Co-Trainer Sascha Franz (45) nach Aue, beide hatten bereits in Darmstadt und Augsburg zusammengearbeitet. Ihre Verträge laufen bis 2022.

Der am 29. Dezember 1967 in Karl-Marx-Stadt geborene Sohn von Oberligaspieler Eberhard Schuster (welcher just in jenem Jahr mit dem FCK DDR-Meister wurde) lernte das Fußball-ABC beim FC Karl-Marx-Stadt. „Du bist in der Fuwo vorn drauf”, riefen seine Freunde 1981, und tatsächlich durfte sich der damals 13-Jährige über sein Foto auf dem Titelblatt der gemeinsamen Sonderausgabe von Fußballwoche und Sportecho freuen. Es zeigt den Jungen im Endspiel der DDR-Kindermeisterschaft, das die Himmelblauen 2:4 gegen Lok Leipzig verloren. „Meine Aufregung war groß und ich hatte damals etliche Hefte gekauft. Nach dem Spiel aber war ich geknickt”, erinnert sich der spätere Profi.

Als Junior wurde Dirk mit dem FCK 1986 Republikmeister, mit der Nationalauswahl in Jugoslawien Europameister und im Jahr darauf in Chile WM-Dritter. Wie er das schaffte? „Ich war sehr ehrgeizig und habe sicher auch mehr dafür getan als andere. Weil ich körperlich nicht der Größte war musste ich häufig Wege finden, die nicht im Lehrbuch stehen. Den Nachteil machte ich zum Beispiel durch Schnelligkeit, Cleverness und Antizipieren wett.” Sein Vorbild war einer der härtesten Verteidiger jener Zeit, der Italiener Claudio Gentile.

Ab 1986 konnte sich das Talent bei Sachsenring Zwickau in der DDR-Liga und ab Anfang 1988 beim 1. FC Magdeburg in der Oberliga entwickeln. Jürgen Croy und Joachim Streich halfen ihm auf seinem Weg. Beim langjährigen Auswahltorwart habe er die Ruhe in schwierigen Situationen bewundert, Streich sei einer seiner größten Förderer gewesen, zu dem er heute noch Konatkt halte. Und wie war es damals, gegen Wismut Aue zu spielen? „Schon in der Jugend hatten die Derbys etwas Besonderes. Es war immer eng, ging körperlich zur Sache. Vor dem euphorischen Publikum war es dort für alle Gegner brutal unangenehm”, sagt er und hat natürlich das tausendste Oberligaspiel der Veilchen am 13. Oktober ’89 nicht vergessen: „0:0. Ich habe 90 Minuten durchgespielt. Volles Haus, super Stimmung.”

Nach 52 Oberligaspielen für Magdeburg wechselte der Sachse 1990 zu Eintracht Braunschweig in die 2. Bundesliga und im Folgejahr zum Erstligisten KSC. Für die Karlsruher bestritt der Verteidiger 167 Punktspiele. Das 7:0 im Europapokal 1993 gegen den FC Valencia steht als Wunder vom Wildpark in den Chroniken. Zwischen 1997 und dem Karriereende 2007 folgten die Stationen 1. FC Köln, Antalyaspor (Türkei), Admira Wacker Mödling (Österreich), LR Ahlen, SV Wilhelmshaven, Waldhof Mannheim und als Spielertrainer ASV Durlach. 2007 absolviert der damals Vierzigjährige die Hennes-Weisweiler-Akademie an der Deutschen Sporthochschule in Köln als Lehrgangsbester. „Als Ex-Profi fragte ich mich, was soll dir das bringen? Doch Erich Rutemöller hat viel gefordert und mir viel beigebracht – und das in sensationeller Weise. Er hatte einen guten Humor und du konntest mit Fragen und Problemen jederzeit zu ihm kommen”, schildert Schuster, wie ihn der Kurs prägte. Im dritten Trainerjahr bei den Stuttgarter Kickers gelang 2012 der Aufstieg in die 3. Liga. Wenige Monate später entlassen zu werden überraschte ihn. Es ging ihm sehr nahe. Rückschläge waren später – in Augsburg oder Darmstadt – weniger schmerzhaft, denn er lernte, damit umzugehen. Zumal sich schon im Dezember 2012 beim SV Darmstadt eine neue Aufgabe bot. Diese vier Jahre waren ein Highlight: 2014 Aufstieg in die 2. und 2015 in die 1. Bundesliga, in der folgenden Saison der Klassenerhalt, 2016 Wahl zum Trainer des Jahres in Deutschland. „Die Erfolge waren Produkt der Arbeit aller im Verein. Das war ähnlich wie jetzt in Aue, wo wenige ganz viel arbeiten. Und dies immer vertrauensvoll und mit ganzem Herzen. Außerdem wurde im Verein und bei der Kaderplanung vieles richtig gemacht”, nennt der Trainer Gründe für die Erfolge.

Als Dirk Schuster 2012 nach Darmstadt kam, war Co-Trainer Sascha Franz schon da und beide beschlossen, es gemeinsam zu versuchen. Eine Freundschaft, die hält, denn: „Sascha ist ehrlich, empathisch, brutal loyal und persönlich überragend. Er erkennt bei anderen Tendenzen oft lange bevor ich sie sehe. Mit ihm kannst du streiten und Pferde stehlen.” Weshalb zog es beide 2016 zum FC Augsburg? „Man muss immer Ziele haben, sonst sollte man aufhören. In Darmstadt war im Erfolgsbereich die Fahnenstange erreicht. Der FCA aber war ein gestandener, ambitionierter Bundesligist. Das reizte”, meint der Sachse im Nachhinein und sieht das Scheitern als wertvolle Erfahrung: „Aus Fehlern lernt man. Das Zeitfenster beim Wechsel war sehr kurz, sodass wir die Struktur des Vereins und den Kader nicht gründlich analysierten. Als Trainerteam haben wir uns nach der Entlassung selber reflektiert und einen Katalog erstellt, worauf wir bei unserer nächsten Station achten müssen.”

So gelang es Schuster und Franz danach, mit dem SV Darmstadt eine Mannschaft, die taumelte, in der 2. Liga zu halten. Sie hatten die „Lilien” im Dezember 2017 auf einem Abstiegsplatz übernommen und am Ende auf Rang zehn geführt.

Und so fiel die Entscheidung für den FCE wohlüberlegt: „Entscheidend ist, dass man etwas mit entwickeln kann. In jüngster Vergangenheit ist hier sehr viel entstanden. Von den Bedingungen und der Infrastruktur her steht Aue inzwischen in der oberen Tabellenhälfte der 2. Liga.” Die Mannschaft habe eine super Mentalität und seit Domenico Tedesco hätten die Trainer auch die spielerischen Elemente entwickelt. Neben defensiver Stabilität und gesundem Zweikampfverhalten beweise das Team Mut, guten, offensiven Fußball zu spielen. Natürlich, fügt der neue Coach hinzu, habe auch die Nähe zu Eltern, Schwester und Freunden eine Rolle gespielt: „Meine Wahlheimat ist Karlsruhe, dennoch fühle ich mich hier in der Region zuhause. Die Schwibbögen, die weihnachtlichen Traditionen haben mir gefehlt.” Seine Wünsche? „Gesund bleiben ist das Wichtigste. Sportlich heißt das Ziel, für Aue auch 2020/21 den Verbleib in der 2. Bundesliga zu garantieren und Verein und Mannschaft dabei noch weiter nach vorne zu bringen.” (OS)

Text: Olaf Seifert

Fotos: Olaf Seifert, Foto-Atelier Lorenz, Frank Kruczynski