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Die neue Gegengerade nimmt Gestalt an

Die Spielstätte der Veilchen wächst von Woche zu Woche, eilt mit großen Schritten dem Ende entgegen. Das Ziel soll, sofern das Wetter mitspielt, zum Heimspiel gegen Braunschweig nach der Winterpause im Januar 2018 geschafft sein. Seit dem Baubeginn im Dezember 2015 fanden mittlerweile 42 Spiele (inklusive Testspiele) auf der Auer Baustelle statt. Acht Tage nach Erreichen des Klassenerhalts 2017 fiel der Startschuss für die dritte Bauphase und zugleich letzte Etappe für den Neubau des Erzgebirgsstadions. Mit dem Abriss der Gegengeraden inklusive Gästekurve verschwanden ab diesem 29. Mai in rund drei Wochen die letzten Traversenelemente der vorherigen Stadionrekonstruktion, die im Jahre 1986 begonnen hatte und sich bis 1992 hinzog. 

Die Eröffnung der damals neuen Gegengeraden geschah zum Intertoto-Spiel am 4. Juli 1987 gegen die schwedische Mannschaft Halmstads BK. Wismut Aue gewann mit 2:1. Auf Sitzplätze auf den um 26 Reihen erhöhten Zuschauerdamm mussten die Fans aber noch über zwei Jahre warten. Beim einzigen Lieferanten für Plastebänke mit Holzkern in der DDR, dem VEB Orbitaplast Osternienburg, hatte es 1986 eine schwere Brandkatastrophe gegeben, deshalb kam es zu Lieferschwierigkeiten. Der Gesamtschaden belief sich damals auf 20 Millionen DDR-Mark, 107 Feuerwehrleute kämpften mit 13 Löschfahrzeugen fünf Stunden lang gegen die Flammen, mehr als 40 Einsatzkräfte sicherten den Brandort. Erst ab dem zweiten Quartal 1989 konnten die hellgrauen Plasteprofile mit Holzkern, die mit Distanzhölzern in je einem Meter Abstand auf den Betontraversen befestigt waren, aufgeschraubt werden. Das war auch dringend notwendig, denn im Herbst 1989 stand das 1.000. DDR-Oberligaspiel im Auer Stadion vor der Tür. Die Gegengerade hatte dann bis zu ihrem Abriss 30 Jahre später viel zu erzählen: Intertotospiele, Europapokal, 1.000. Oberligaspiel von Wismut mit Eröffnung der Flutlichtanlage, Abstiege und Aufstiege. Herbert Grönemeyer sang im Stadion und die Kelly Family, der Ligacup mit Bremen, Hertha BSC und Bayern München war zu Gast. Und natürlich die 2. Bundesliga ab 2003 mit Mannschaften wie Köln, Kaiserslautern, Nürnberg und Borussia Mönchengladbach, die man bis dato nur aus dem Fernsehen kannte. Im Sommer 2010 bekam die Gegengerade in Form des Konjunkturpakets II der Bundesregierung eine Überdachung. Passenderweise konnte diese beim ersten Heimspiel der Saison 2010/11 am 14. August zum DFB-Pokalduell gegen Borussia Mönchengladbach (1:3) freigegeben werden. 
In den vielen Jahren ohne Überdachung hatte die Gegengerade, speziell zu DDR-Zeiten, mit enormem Witterungsverschleiß zu kämpfen. Die 1950 ursprünglich in Holzbauweise erbauten Traversen wurden nach und nach in einen Mix aus Stahlbetonfertigteil- und Mauerwerkskonstruktion umgewandelt. Als im Mai 1964 die Friedensfahrt erstmals ins Auer Stadion rollte, wurden auch die Traversen der Gegengeraden erneuert und auf deren Mitte errichtete man einen für die damalige Zeit modernen Anzeigeturm. Lehrlinge des benachbarten Messgerätewerks Zwönitz bauten dafür eine elektrische Stechanzeige, deren vorprogrammierte Elemente fortan den Spielstand auswiesen. Eine spezielle Uhr mit nur einem Zeiger drehte sich im Dreiviertelstundentakt und zeigte die Bruttospielzeit einer Halbzeit an. Zudem entstand ein zusätzlicher Zuschauerausgang oberhalb der Traversenkrone in Richtung Bahnübergang. Bis zum Abriss im Mai 1986 bestand die Gegengerade aus drei Sitzplatzblöcken mit insgesamt 3.940 Plätzen. Die Bankreihen waren aus Presssperrholz. 

Fast so viele Plätze wird es nach Fertigstellung der neuen Südtribüne 2018 wieder geben. Inklusive der Plätze für die TV-Medienvertreter sollen es dann 3.930 sein. Die Fertigteilmontage der bis zu 25 Tonnen schweren Zahnbalken begann am 9. Oktober. Danach rückten am 26. Oktober Stahlbauer aus Österreich an und begannen mit der Dachträgermontage in der Südwestecke. Dazwischen wurden weitere Stützen, Zahnbalken, Traversenelemente und Spielfeldbrüstungen montiert. Bis Ende November sollen die Betonfertigteile und die restlichen Dachträger montiert sein. Läuft die Montage wie am Schnürchen, so gab es bei den Vorbereitungs- und Fundamentarbeiten ein paar Schwierigkeiten, die auf einer Großbaustelle wie dieser aber nicht planbar sind. Aufgrund des alten Verlaufs des Lößnitzbach in der Südostecke waren bei den Fundamentarbeiten baugrundbedingte Verzögerungen eingetreten. Nach Information des Landratsamtes Erzgebirgskreis seien wesentlich tiefere Gründungen erforderlich gewesen als geplant, was neben Mengenmehrungen beim Aushub und der Wiederverfüllung mit Beton zu kleinen Verschiebungen im Bauablauf und damit des Fertigstellungstermins in dem Bereich führte. 

Bis dahin hatten die Männer der Firma Abbruch & Erdbau Uwe Röckert aus Bad Schlema jedoch ganze Arbeit geleistet. Angefangen mit dem Abriss beziehungssweise der sachgerechter Demontage der kompletten Südtribüne inklusive der alten Gästekurve F/G über das Abtragen und Auffüllen der Erdwalltribüne bis zu deren neuem Aufbau mit den angefallenen recyclingfähigen und wieder aufbereiteten Betonabbruchmassen wurde der Unterbau der Südtribüne hergestellt. In diesen Erdwall wurden sogenannte Geogitter eingebaut. Diese dienen unter anderem der Stabilisierung des Untergrunds. Sie funktionieren als Bewehrung ungebundener mineralischer Schichten wie Sand und Erde. In diesen werden schließlich die über 50 Fundamente für die Zahnbalken und Stützen integriert. Die oberen, rund 19 Kubikmeter großen Fundamente dienen als Gegengewichtsfundamente fürs spätere Dach. Darauf wurden Stahlbetonwände betoniert, die neben der seitlichen Aussteifung auch eine Stützwandfunktion für die Hinterfüllung der Promenade aufweisen.  Text: Burg
Fotos: FCE, Burg, PicturePoint