Sie wurden im November im Amt bestätigt, welche Ziele setzen Sie?
Ich fasse sie kurz in sechs Punkten zusammen, der Roadmap des Vorstands für 2016. Damit wollen wir die Attraktivität des FC Erzgebirge in allen Bereichen erhöhen. Punkt eins ist der wichtigste: Profifußball als Kerngeschäft. Die Qualität und damit der sportliche Erfolg der Profis entscheidet über Wohl und Wehe unseres Großvereins, nur mit ihm kann er sich finanzieren. Heißt, das Mannschaftskollektiv zielstrebig weiterentwickeln und seinen Charakter, den wir uns seit Sommer erarbeitet haben, erhalten. Wir wollen uns weiter in der 3. Liga fest etablieren und haben das Zeug, vorne mitzuspielen. Die sportliche Leitung trägt da eine hohe Verantwortung. Und wir müssen das wirtschaftlich untersetzen, speziell die Einnahmen und die Attraktivität des FCE insgesamt weiter erhöhen.
Das wäre dann Punkt zwei?
Richtig. Klinken putzen bei potenziellen Sponsoren und Persönlichkeiten, die sich für unseren Klub interessieren. Hier im Erzgebirge genauso wie überregional.
Der dritte Schwerpunkt heißt Mitgliedergewinnung, wir konnten die Zahl im letzten Dreivierteljahr mehr als verdoppeln. In absehbarer Zeit wollen wir 8.000 schaffen. Die Betreuung dieser Mitglieder wie der Sponsoren muss dabei Schritt halten, auch das ist eine Herausforderung für meine Leute. Logisch, den viel größeren und weiter wachsenden Verein zu handeln wird immer anspruchsvoller. Nur wenn wir als Familie auftreten und den Zusammenhalt weiter leben, können die Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden. Damit sind wir beim vierten Punkt, der weiteren Professionalisierung des Vereins und seiner Geschäftsstelle. Und beim fünften: dem reibungslosen Bau des Sparkassen-Erzgebirgsstadions.
Wie geht es auf der Großbaustelle voran?
Wir liegen im Plan. Es wird bei laufendem Spielbetrieb natürlich Einschränkungen geben, was von den Zuschauern ein hohes Maß an Verständnis braucht. So ein Mammutprojekt läuft nicht, ohne dass Fans und Sponsoren mitziehen. Die weitere Entwicklung des Nachwuchsleistungszentrums des FCE ist dann Punkt sechs unserer Roadmap.
Stichwort Persönlichkeiten gewinnen, an wen denken Sie?
Neben Mitgliedern, Fans und Sponsoren ist es meiner Meinung nach wichtig, Entscheider aus Wirtschaft und Politik, Sympathieträger aus vielen Bereichen für unseren Verein zu begeistern und damit Kompetenz zuzuführen, um weitere Netzwerke zu entwickeln. Das bedeutet, wir müssen weiter über den Tellerrand hinausschauen.
Die Auflagen von DFB und DFL werden – gerade in Sicherheitsfragen rund ums Stadion und im Verein – immer höher. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt den Görlitzer Polizeipräsidenten Conny Stiehl als ehrenamtlichen Sicherheitschef – als Autorität und kompetenten Fachmann – für unseren Klub gewinnen konnten, um die gestiegenen Anforderungen zu erfüllen. Er stammt aus dem Erzgebirge und kennt unsere Situation seit Jahren.
Was lief in den letzten Jahren falsch?
Ich bin erst seit gut einem Jahr Präsident und daher für Gegenwart und Zukunft operativ und strategisch zuständig, nicht für das Gestern. Aber ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass nicht alles einfach ist und nicht alles einfach war. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.
War die Entlassung von Rico Schmitt seinerzeit ein Fehler?
Ich war damals im Ehrenrat, mein Bild hing sozusagen „an der Wand”. Das können nur jene beantworten, die damals im operativen Geschäft Verantwortung trugen.
Sie sind runter „von der Wand”, was ärgert den Präsidenten heute im FCE?
Zum Beispiel überzogene Ansprüche. Wir können und dürfen in der jetzigen Situation nur das Machbare umsetzen. Es musste erhebliche Einschnitte geben, aber wir halten Wort, stehen auch zu jeder Abteilung im Verein und tun, was geht.
Wie unsachlich einige den Vorschlag fürs neue Wappen diskutieren, finde ich nicht okay und auch nicht ehrlich.
Das neue Vereinswappen bleibt auf dem Tisch?
Weil die Zeit dafür reif ist. Ich gehe nicht davon ab und bin sicher, dass wir uns zur neuen Saison dafür entscheiden sollten. Wir verbinden so die Tradition mit der Gegenwart und richten den Blick in die Zukunft – das drückt das neue Wappen aus. Ich denke, die allermeisten der 6.000 Mitglieder sind davon überzeugt. Die Überzeugten waren aber leider nicht die Lautesten bei der letzten Mitgliederversammlung, die übrigens vom FCE nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Konsequenz vorbereitet worden war.
Gibt es Interessenten für das Brustsponsoring?
Neben der Führung des Vereins ist es generell eine wesentliche Aufgabe, Geld für den FC Erzgebirge zu beschaffen, um wettbewerbsfähig zu sein. Dies sollte nicht nur Aufgabe der Geschäftsstelle und des Präsidiums sein, sondern auch des Aufsichts- und Ehrenrats und aller Persönlichkeiten, die an dem Klub hängen.
Wie bewerten Sie die sportliche Bilanz bis zur Winterpause?
Die ist überaus erfreulich. Wir hatten mit dem konsequenten Neuanfang viel riskiert, doch der Plan ist aufgegangen. Präsidium, Sportdirektor, der Chefcoach mit dem Trainerteam und die Mannschaft haben sich in extrem kurzer Zeit gefunden und der Kader ist zu einem leistungsfähigen Team der 3. Liga gereift. Auch deshalb habe ich den Vertrag mit Cheftrainer Pavel Dotchev bis 2018 verlängert.
Trotz der Einnahmen im DFB-Pokal wurde der Kader im Winter nur punktuell verstärkt?
Never change a winning team. Dieser Kader hat das Zeug, oben dabei zu sein und bietet mitunter klasse Fußball. Jeder Neuzugang muss passen, sonst würde die Seele der Mannschaft zerstört. Das Geld aus dem Pokal war zudem enorm wichtig, um die Deckungslücke nach dem Abstieg zu schließen und die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Die Mannschaft war damit zum größten Sponsor geworden. Denn der Abstieg war wirtschaftlich ein kleiner Tsunami und die 3. Liga ist, meiner Meinung nach, eine Pleiteliga. Je länger man dort bleibt, umso mehr kommt man in ökonomische Turbulenzen. Wenn Gelder erwirtschaftet werden, sollten sie überwiegend und zielgerichtet in einen leistungsfähigen Kader gesteckt werden.
Wir dürfen auch nicht das Team hinter dem Team vergessen: Physiotherapeuten, Sportärzte, Mannschaftsbetreuer – bis zum Busfahrer… Alles muss passen. Jeder in der Geschäftsstelle macht nicht bloß seinen Job, sondern soll den Zusammenhalt vorleben, sonst ist er fehl am Platz. Der FC Erzgebirge ist ordentlich strukturiert, muss aber professioneller werden. Die momentanen Verhältnisse im Sparkassen-Erzgebirgsstadion sind mit den zukünftigen nicht zu vergleichen, daher müssen jetzt die Modelle für die profitable Vermarktung des neuen Stadions und der VIP-Bereiche entwickelt werden, um die entsprechende neue Qualität zu erreichen. Im künftigen Stadion müssen Aufwand und Ergebnis in einem profitablen Verhältnis zugunsten des Vereins stehen.
Mit Cebio Soukou und Pascal Köpke wurden zwei offensive Leute geholt.
Womit wir dem Kader Qualität zugeführt haben. Beide bringen uns weiter. Super auch, dass sie schon in der Türkei dabei waren, sich integrieren konnten. Pawel Baranowski, Philip Hauck und Tom Nattermann sind von der Gehaltsliste runter.
Daniel Frahn wechselte im Januar aus Heidenheim zum Chemnitzer FC. Man liest, er sei zuvor auch mit Aue im Kontakt gewesen.
Bei Cheftrainer, Sportdirektor und Präsident stand er nicht auf dem Zettel. Wahrscheinlich sollte durch so ein Gerücht sein Marktwert erhöht werden.
Der EHV Aue spielt seit Anfang der 1990er Jahr erfolgreich in der 2. Bundesliga, steht aber weit weniger im Fokus als der FCE. Ungerecht?
Fußball ist fast überall auf der Welt die Nummer eins. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit in den Medien, der Öffentlichkeit und bei Sponsoren. Ich werbe aber ausdrücklich auch für den Auer Handball, wo über viele Jahre Großes geleistet wird. Mein Onkel Rainer ist selbst eine Auer Handballlegende und ich bin, so oft es meine Zeit erlaubt, live in der Erzgebirgshalle, sitze neben Manager Jurke. Als Leonhardt Group sind wir von Anfang an beim EHV dabei, so wie etliche andere FCE-Sponsoren auch. Das ist ein Traditionsverein, der aus der BSG Wismut hervorgegangen ist, wo es Herzblut und Leidenschaft ähnlich wie bei den Veilchen gibt.
Sollte man vielleicht in einem starken Verein zusammengehen wie zu DDR-Zeiten?
Ausschließen soll man nichts. Doch nur bei einer Win-win-Situation und wenn die Synergien entsprechend groß wären. Man darf aber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, beide Vereine sind in ihrem Bereich überaus erfolgreich. Ich werde jedenfalls anderen keine klugen Ratschläge geben, denn ich bin zuständig für den FCE, der viel Kraft erfordert.
Für welche Hobbys nehmen Sie sich Zeit, wofür würden Sie gern mehr Zeit haben?
Meine knappe Freizeit gehört dem Fußball, leider kommt dabei sogar die Familie schlecht weg. Denn als Präsident bin ich stark im Verein eingebunden, genauso wie als Unternehmer und CEO in der Leonhardt Group. Zum Glück brennen auch meine Frau und die beiden Töchter für die Veilchen. Meine Eltern fiebern ebenso mit und mein Zwillingsbruder Uwe sowie Bruder Karl-Ludwig stehen eh immer zu mir.
Wo tankt „HL” Energie?
Im Stadion, wo ich ab und zu auch viel Energie verbrenne. Doch vor allem beim Fahrradfahren und Laufen rund um den Spiegelwald sowie im schönen Bernsbacher Freibad. Da ziehe ich im Sommer zum Frühsport, ehe die ersten Badegäste da sind, unter Aufsicht von Bademeisterlegende Detlef Hirsch meine Runden.
Interview: Olaf Seifert
Foto: FC Erzgebirge Aue