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Glück auf zum 60. Geburtstag, 'Willy' Reypka!

Ob Fans, Spielerkollegen, Trainer oder Familie, für jeden war er einfach der 'Willy'. Die Mitspieler riefen Wilfried Reypka schon im ersten Jugendverein, bei Motor Sangerhausen, einfach 'Willy'. Und als er Mitte der Achtziger für Wismut stürmte, hallte der Name durchs Auer Lößnitztal. Der heutige Tag ist allemal ein Grund, an den kleinen, (damals) lockigen Wirbelwind zu erinnern, feiert er doch an diesem 6. März daheim in Berlin seinen 60. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, viel Gesundheit und alles Gute aus dem Schacht, lieber 'Willy'!

Entschlossen zieht Wilfried Reypka (links) ab, Andreas Böhm kommt zu spät. Motiv aus dem Oberligaheimspiel gegen Motor Suhl, das die Auer am 8. September 1984 mit 2:0 für sich entschieden. Foto: Frank Kruczynski

Geboren in Querfurt in Sachsen-Anhalt, damals Bezirk Halle, war der Junge jeden Nachmittag nach der Schule auf der Straße oder einem schlichten Ascheplatz am Ball. „Einmal schaute Norbert Nachtweih, der es damals schon in den Oberligakader des HFC und den der Nationalmannschaft geschafft hatte, auf Besuch in seiner Heimatstadt Sangerhausen vorbei. Er kickte mit uns auf dem Ascheplatz, das war für uns ein Riesenerlebnis”, erinnert sich Reypka. (Wenig später floh Nachtweih in die Bundesrepublik und machte dann in der Bundesliga Karriere.)

Wilfried Reypka läuft DDR-Auswahl-Stürmer Rainer Ernst auf und davon. Am 3. November 1984 sorgen die Veilchen für eine handfeste Überraschung, denn sie bezwingen den BFC Dynamo im Achtelfinale des FDGB-Pokals mit 3:1. Foto: Frank Kruczynski

Das Fußballgen geerbt hatte Wilfried von seinem Vater, der im Nachbardorf Osterhausen spielte und sicherlich stolz war, als sein Bub als 12-, 13-Jähriger bei der Sangerhäuser Motor-Mannschaft zu trainieren begann. Mit 14 wechselte der talentierte Angreifer zu MK Sangerhausen, dem Werksverein des Mansfeld-Kombinats. „Die Jugend- und Junioren-Teams waren ziemlich erfolgreich, einmal wurden wir Staffelsieger in der Bezirksliga. Schon mit 16 durfte ich bei den Männern mittrainieren”, blickt „Willy” zurück. Am Ende der Saison 1979/80 stieg er mit MK in die DDR-Liga auf, damals die zweithöchste Klasse. Ärgerlich für den jungen Angreifer, dass eben jetzt die Einberufung zur NVA ins Haus flatterte. „Hätte ich für drei Jahre unterschrieben, hätte ich bei der ,Asche’ mehr in Armeemannschaften Fußball spielen dürfen. Als Anderthalbjähriger aber musste ich richtig dienen, ehe ich bei Vorwärts Delitzsch auch wieder kicken durfte”, erzählt Reypka, der nach der „Fahne” unter mehreren Angebote wählen konnte. „Ich entschied mich für den DDR-Ligisten Kali Werra Tiefenort aus dem äußersten Westen Thüringens. Damals wurde auf nur noch zwei Staffeln umgestellt und es war eine tolle Leistung, dass der Verein des Kalibetriebs unter die besten sechs in seiner Staffel kam und die Qualifikation schaffte.”

Wilfried Reypka wird ausgebremst – im UEFA-Cup-Spiel am 18. September 1986 im Auer Otto-Grotewohl-Stadion (1:3). Foto: Frank Kruczynski

Der Jugendtraum, in der Oberliga zu spielen, erfüllte sich, als die Auer Verantwortlichen den energischen Stürmer Anfang der Rückrunde 1983/84 nach Aue holten. In dieser Saison kam er zu Kurzeinsätzen, wurde in Halle, zu Hause gegen Lok Leipzig und Erfurt und sowie am letzten Spieltag in Rostock jeweils zur 2. Halbzeit eingewechselt. Die früheste Notiz über ihn findet sich im Auer Programmheft zur Begegnung gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig am 5. Mai ’84: „Von Kali Werra Tiefenort wurde der Sportfreund Wilfried Reypka zu unserer BSG delegiert. Er bestritt am 21.4.1984 gegen den HFC Chemie am 23. Spieltag sein erstes Oberligaspiel.” Beim 1:0-Sieg gegen den FC Rot-Weiß Erfurt holte er kurz vor Schluss einen Eckball heraus, den Harald Mothes dann verwandelte. Der Durchbruch gelang im folgenden Spieljahr, wo der Stürmer neben 25 Oberligaeinsätzen auch fünf Intertoto-Cup-Partien bestritt. Dort, im Heimspiel am 14. Juli 1984 gegen Aarhus GF aus Dänemark, erzielte Reypka auch sein erstes Tor für die Lila-Weißen. Dazu schrieb die Fußballwoche (Fuwo): „Nach 264 Minuten gelang Wismut im dritten IFC-Spiel endlich der erste Torerfolg (zuvor 0:2 gegen Lilleström und 0:0 bei Baník Ostrava). Doch ein besonders großer Anlaß zum Jubeln war das nicht, denn er glückte Reypka erst sechs Minuten vor dem Abpfiff beim Stande von 0:2. Zuvor hatte es mindestens ein halbes Dutzend zwingendere Gelegenheiten gegeben, die aber durchweg nicht genutzt werden konnten. Erst Reypka, dessen Rückennummer 9 Trainer Thomale schon zum Zeichen des Auswechselns aus dem Kastens gezogen hatte, sich dann aber für Konik entschied, brach den Bann, indem er aus acht Metern flach einschoß (84.). Da stand es aber schon 0:2.” Gut zwei Monate später gelang dem Neuzugang dann der erster Oberligatreffer. Nach 24. Minuten markierte „Willy” im Otto-Grotewohl-Stadion das 1:0 und am Ende durfte er sich mit seiner Wismut-Mannschaft über den 2:1-Sieg gegen den FC Carl Zeiss Jena freuen.
Insgesamt lief Reypka zwischen 1984 und 1987 in 91 Pflichtspielen für die Veilchen auf, schoss dabei acht Tore. Zu den Höhepunkten rechnet er Begegnungen gegen Dynamo Dresden, Magdeburg oder den BFC, ebenso wie die internationalen Einsätze. „Es war toll, Länder zu erleben, in die der normale DDR-Bürger damals nicht oder kaum reisen durfte. Zunächst wollte man mich in die westlichen gar nicht mitnehmen, etwa nach Dänemark. Denn ich war neu in der Mannschaft, damals noch nicht verheiratet”, weiß er noch. Seine beste Zeit nennt er die unter Trainer Hans-Ulrich Thomale, 1984/85. Doch auch mit Konrad Schaller, Harald Fischer und Hans Speth sei er gut klar gekommen.

Zweikampf mit dem Braunschweiger Michael Scheike in der IFC-Sommercup-Begegnung vom 6. Juli 1985 in Aue. Die Erzgebirger gewinnen 3:2. Foto: Frank Kruczynski

Im Intertoto-Cup traf „Willy” am 18. Juli 1987 beim 3:0-Sieg gegen den ungarischen Vertreter Dózsa Újpest, was sich in der „Freien Presse” tags darauf so las: „ Immerhin dauerte es dabei bis zur 28. Minute, ehe der mit zahlreichen gewitzten Aktionen aufwartende Wilfried Reypka seine Mannschaft aus Nahdistanz in Führung schießen konnte.”
Wenig später, am 3. Oktober ’87, bestritt er dann aber schon sein letztes Punktspiel für die Auer Farben. „Ich hatte immer wieder gesundheitliche Probleme, mit einer Spritze wurde man fit gemacht, obwohl auskurieren besser gewesen wäre”, sagt Reypka und erwähnt, dass der Abschied aus Aue plötzlich kam und „die Art und Weise nicht so schön gelaufen ist”. Knie, Wirbelsäule; noch Jahre später litt er unter Krankheiten, die wesentlich mit dem Leistungssport zusammenhingen. Trotzdem erinnert sich der Fußballer weiter sehr gern an die Jahre im lila Dress: „Ich habe immer alles gegeben, das liebten die Fans, aber auch den Mund aufgemacht. In der Auer Mannschaft Fuß zu fassen war leichter als zuvor in Tiefenort. Klar, wenn ich, wie zuvor gewohnt, einen Apfel auf dem Traningsplatz schnurpste, gab es sofort ’ne laute Ansage. Aber wenn du bei ,Uli’ Thomale Leistung gezeigt hast, dann wurdest du auch akzeptiert, auch als Neuling.” Was „Willy” bis heute imponiert, waren die Unterstützung der Fans und der Zusammenhalt in der Mannschaft. Noch Jahre später hatte er zu Jürgen Escher und Uli Ebert, die Oldieturniere organisierten, mit Steffen Krauß, Lutz Wendler, Ralf Kraft und anderen einen guten Draht.


Weshalb im Herbst ’87 so plötzlich Schluss für ihn war mag Wilfried Reypka heute nicht mehr groß kommentieren. Für ihn ging es sportlich bei Motor Lößnitz, in Hettstett und kurz bei Chemie Leipzig weiter, beruflich arbeitete der gelernte Kfz-Schlosser in der Lößnitzer Schuhfabrik, schulte dann auf Betriebswirt um, arbeitet jetzt als freier Mitarbeiter einer Steuerkanzlei in Berlin. Seine Spielerlaufbahn klang nach der Wende bei Bayern Hof und in Regnitzlosau in Oberfranken aus: „Das waren noch mal sehr schöne Jahre.”
Heute lebt Reypka mit seiner Freundin in der Hauptstadt. Familie und Freunde sind ihm wichtig, wandern mag er und kochen. Und Fußball? „Die Spiele der Auer verfolge ich, allerdings nicht mehr fanatisch wie früher. Das neue Erzgebirgsstadion kenne ich leider nur von außen, ein Besuch ist derzeit ja leider nicht möglich. Den habe ich mir aber ganz fest vorgenommen.
Der 60. Geburtstag an diesem Samstag wird wegen der Pandemie nur im kleinen Rahmen gefeiert, um so lauter soll der Jubilar darum den Glückwunsch aus Aue vernehmen: „Gesundheit, Glück und vergiss die Jahre im ,Schacht’ nicht!” Und dass „Willy” bei allem Feiern ein Ohr fürs Duell des FC Erzgebirge gegen Hannover 96 hat, ist ziemlich sicher: „Ich drücke den Auern die Daumen, hoffe wie zu jedem Spiel auf einen Sieg der Veilchen.”

Die Oberligamannschaft der BSG Wismut Aue in der Saison 1984/85, jeweils von links – hinten Jürgen Escher, Erhard Süß, Bernhard Konik, Holger Erler, Harald Mothes, Steffen Krauß, Rainer Kunde; Mitte: Trainer Hans Ulrich Thomale, Olaf Distelmeier, Uwe Bauer, Ralf Kraft, Thomas Teubner, Volker Schmidt, Wolfgang Körner, Steffen Lorenz, Bernd Lippold, Co-Trainer Konrad Schaller; vorn: Heiko Münch, Ulrich Ebert, Jörg Weißflog, Bernd Stettinius und Wilfried Reypka. Foto: Archiv Burg

Text: Olaf Seifert