Hendrik Liebers: Feste Grösse in Schädlichs Zweitligateam
Als Kind probierte Hendrik Liebers so ziemlich alles, was nach Sport schmeckt. Gestartet mit vier Lenzen als Eiskunstläufer, kam er über Geräteturnen und diverse Leichtathletikdisziplinen erst mit zwölf zum Fußball. Doch hier schlug „Henne” sofort ein. Seine vielleicht erfolgreichste Zeit waren die Jahre 2004 bis 2008 im Veilchendress.
Am 18. Dezember 1975 in Karl-Marx-Stadt geboren, stand Hendrik fast früher auf Kufen als er laufen konnte. Ein Talent gewiss, doch sein Vater mochte ihn mit sieben nicht in die Sportschule geben. Nach einem Turnerjahr wechselte der Bub auf Aschenbahn und Sprunggrube, durfte seinerzeit über den Hochsprung-Bezirksmeistertitel in seiner Altersklasse jubeln. Fußball freilich hatte der kleine Liebers nebenbei immer gespielt, bis 1987 ein Zufall dazwischenkam. Werner Dost, Nachwuchstrainer beim FC Karl-Marx-Stadt, war Garagennachbar von Vater Gerhard. „Kannst du dir meinen Jungen mal anschaun”, fragte der und als Hendrik beim Vorspielen eine gute Figur machte, durfte er zu den Himmelblauen und ein anderthalbes Jahr später an die Sportschule. In der zehnten Klasse aber war Schluss, Trainer Joachim Müller traute dem offensiven Mittelfeld-Junior keine Leistungssportkarriere zu: „Du bist leider zu klein!”
„Ich war total frustriert, konzentrierte mich auf meine Elektroinstallateurlehre und hörte komplett auf mit Fußball”, erinnert sich der jetzt 41-Jährige. Freilich, ein Jahr später war er wieder am Ball, Trainer René Wagner hatte ihn zur BSG IFA geholt. Es machte wieder Spaß und wer weiß, wie sein Leben gelaufen wäre, hätte nicht 1994 erneut der Zufall mitgespielt. Bei einem Hallenturnier stand IFA im Finale gegen den Chemnitzer FC; dessen Trainer Christoph Franke und Manfred Lienemann bohrten nach: „Willste bei uns wieder Fußball spielen oder als Elektriker arbeiten?” Kein schlechter Beruf, aber Fußball ist Fußball, überlegte „Henne”. Ab 1996 war Liebers Stammspieler im Regionalligateam, bestritt knapp hundert Partien für den „Club” und stieg 1999 in die 2. Bundesliga auf. Zu Ex-Kollegen wie Kay-Uwe Jendrossek, Sven Köhler, Alexander Tetzner oder Mirko Ullmann hat er bis heute einen guten Draht. Besonders natürlich zu „Ulle”, mit dem er aktuell den FC Stollberg betreut.
Hendrik verließ ’99 den CFC; einem Angebot des Bundesligisten Bayer Leverkusen kann ein junger Mann einfach nicht widerstehen. „Sie hatten damals auf meiner Position Zé Roberto geholt und ich durfte darum nur in der 2. Mannschaft ran. Trotzdem lernte ich eine Menge, von Christoph Daum und Amateurtrainer Peter Hermann vor allem. Am Ende der Saison plagten den Sachsen Verletzungen und weil er unbedingt 2. Liga spielen wollte, wechselte der Mittelfeldmann in der Saison 2000/01 zum MSV Duisburg, für den er 29 Einsätze bestritt. Im folgenden Jahr dann der Knock-out: „Im zweiten Saisonspiel haut’s mir die Patellasehne weg. Danach ein halbes Jahr Reha und kaum wieder fit, ist schon wieder die Sehne durch. Mit Fußball mochte ich nichts mehr zu tun haben”, war sich der Chemnitzer sicher. Wirklich nicht? „Als Pierre Littbarski als Trainer nach Japan ging, wollte er mich mitnehmen. Es reizte mich und vom Geld her wäre es eh super gewesen. Aber meine Katja war damals hochschwanger und ich entschied mich für die Familie.” Das hieß zugleich: arbeitslos statt Nippon, fit halten in Leverkusen statt 2. Liga. Ab und an gab’s ein Probetraining, so auch 2003 bei Gerd Schädlich auf dem Hartplatz hinterm Erzgebirgsstadion. Am Ende unterschrieb Hendrik zwar beim Zweitligisten Unterhaching, heuerte aber im Folgejahr bei den Auer Veilchen an. Zwischen 2004 und 2008 lief er in 62 Zweitligaspielen für Aue auf, erzielte dabei je ein Tor gegen Rot-Weiss Essen und Carl Zeiss Jena. „Es war eine schöne Zeit, es gab viele Gänsehautspiele. Wenn ich nur an unseren 3:1-Sieg gegen die Münchner Löwen in der Allianz Arena denke! Überhaupt würde ich alles noch mal so machen, wenn ich jung wäre und die Chance bekäme”, sagt Liebers heute und denkt an seinen Sohn Niclas. Der 14-Jährige, Linksfuß wie der Papa, trainiert bei Torsten Wappler in der B-Jugend des CFC. Kontakt hält Hendrik noch zu manchem Kumpel aus Auer Tagen, zum Beispiel Sebastian Helbig, Tomasz Kos, Axel Keller. „Und grüß mir die Petra Ullmann in der Geschäftsstelle”, bittet mein Gesprächspartner. Obwohl er sich nach der 2. Knie-OP gerade zurückgekämpft hatte, plante Trainer Heiko Weber nach dem Abstieg 2008 nicht mehr mit ihm. Gerd Schädlich, inzwischen Coach beim CFC, dachte da anders, holte den Routinier zu den Himmelblauen, wo Liebers zwei Jahre später die Karriere beendete.
Er machte eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, fährt heute behinderte Menschen im Raum Chemnitz. Diese Arbeit macht ihm Freude, bereichert ihn. Am Ball bleibt der Ex-Profi seit 2013 als Co-Trainer von Mirko Ullmann, zusammen sind sie mit dem SV Olbernhau erst in die Kreisoberliga, dann in die Landesklasse aufgestiegen. Aktuell leitet das Duo die sportlichen Geschicke beim FC Stollberg in der Landesklasse. „Ich komm’ eben nicht ganz weg vom Fußball”, meint der 41-Jährige schmunzelnd, setzt aber eine Priorität: „Die Familie ist das Wichtigste. Mit meiner Frau Katja, Niclas, Töchterchen Emily und dem Mischlingshund Idefix fühlen wir uns in Chemnitz-Berbisdorf wohl: „Die Vierjährige probiert gerade Trampolinspringen, vielleicht gefällt es ihr. Und ob mein Großer Fußballer wird, liegt bei ihm. Hat er Spaß dran, dann gerne, aber es ist kein Muss.” Bleibt „Henne” Zeit, schraubt er an alten Autos oder schaut Fußball. „Vor allem verfolge ich die Entwicklung beim CFC und bei den Veilchen. Ich finde es stark, wie sich das ,kleine gallische Dorf Aue’ im Profifußball behauptet. Hätte nicht geglaubt, dass die Veilchen 2016 sofort in die 2. Liga zurückkehren. Stark!” (OS)
Text+Foto: Olaf Seifert