Heute vor 65 Jahren: SC Wismut – 1.FC Kaiserslautern 3:5 (3:4)
Eine Niederlage, die Hoffnung macht / Zweikampf Tröger – Eckel sehenswert
Leipzigs Fußballfreunde durften sich glücklich schätzen, nach der Flutlichtpremiere zwischen Honved Budapest und dem SC Wismut nun wieder einer Fußballveranstaltung von überragenden Niveau beigewohnt zu haben. Diesmal hießen die Spielpartner 1. FC Kaiserslautern und SC Wismut Karl-Marx-Stadt – zwei Mannschaften, die seit längerer oder kürzerer Zeit im deutschen Fußball Namen und Ansehen genießen.
Das war ein Spiel!
Wer hätte das gedacht, dass nach den beiden hochinteressanten Begegnungen Leipzig –Lausanne und Wismut – Honved hier in Bezug auf Spannung und Klasse noch eine Steigerung möglich sein würde. Und doch war es der Fall! Die 90 Minuten des Kampfes zweier Meister im Leipziger „Stadion der Hunderttausend“ wird jeder, der sie miterlebt hat, so leicht nicht vergessen. Es wurde von beiden Seiten voll ausgespielt. Beide Mannschaften bemühten sich stets, ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten hundertprozentig in die Waagschale zu werfen. Da sah man wiederholt jenes reibungslos funktionierende Spiel im Dreieck, dem der 1. FCK in den letzten Jahren von allem seine Erfolge zu verdanken hat. Da erlebte man jene vielseitigen und daher überraschenden Ballkunststücke eines Fritz Walter, da lief das Leder mitunter in den Reihen der Lauterer ohne Anhalt zwischen Verteidigung und Angriff über die Stationen Eckel – Schmidt – Mangold, meist mit Zwischenstationen Fritz Walter, weiter zu seinen Bruder Otmar und zur zweiten vielleicht noch gefährlicheren Angriffsspitze Wenzel.
Aber auch der SC Wismut spielte sein Spiel.
So wie es Fritz Gödicke vor dem Kampf sagte: „ Wir dürfen uns nicht das Spiel des Gegners aufzwingen lassen, sondern müssen immer wieder aus der Abwehr heraus versuchen, selbst die Initiative zu ergreifen“, wurde es auch lange Zeit in die Tat umgesetzt. Einmal stieß „Töppel“ Bauer wie ein Außenstürmer am linken Flügel vor. Ein ums andere Mal schalteten sich abwechselnd Karl oder Siegfried Wolf in das Angriffspiel ein. Stets bildete Manfred Kaiser, der sich an diesem Tage selbst übertraf, mit seinen Dribbelkünsten, die denen eines Fritz Walter kaum nachstanden, den Anspielpunkt zwischen der Defensive und Offensive. So spielten sich ferner in der ersten Halbzeit Tröger und Wagner mehrere Male im Wechselpass aus der Mitte des Spielfeldes bis dicht an das gegnerische Tor vor und rissen mit zwei bis drei schnellen und direkten Zügen die Abwehr der Gäste auf. So bewies Bringfried Müller mit vorbildlichem Einsatz und weittragenden Kopfbällen wahrlich Auswahl-Format.
Das waren Zweikämpfe!
Zu den zahlreichen Höhepunkten dieses Spiels zählten vor allem die vielen Zweikämpfe zwischen Willi Tröger und Horst Eckel, in denen der Wismut-Mittelstürmer im ersten Spielabschnitt des öfteren den Sieg davontrug und erst spät, genau gesagt, in der letzten Viertelstunde, als der frisch hereingekommene Mittelläufer der Weltmeister-Elf, Werner Liebrich, sich zur Unterstützung seines Mannschaftskameraden nach rückwärts orientierte, und die Gäste wie schon in früheren Spielen um die westdeutsche Meisterschaft mehrfach zum wenig beliebten System des Doppelstoppers griffen, scheitern musste.
Voll auf Angriff
In der Tat, so hieß die Parole. Fünf Tore auf der einen und drei auf der anderen Seite beweisen das schließlich. Schöne Treffer, wie man sie nicht alle Tage zu sehen bekommt. Nennen wir nur das herrliche Tor, das Fritz Walter erzielte, indem er einen Eckball von rechts, gleichsam waagerecht durch die Luft fliegend, direkt mit dem Hacken verwandelte. Erwähnt sei ferner ein Torerfolg für Wismut, den Tröger herausholte, indem er bei der hohen Eingabe von Wagner über alle Gegner hinweg förmlich in die Luft stieg und das Leder mit dem Kopf ins Eck „schoss“. Insgesamt gesehen entspricht das Ergebnis dem Spielverlauf und den gezeigten Leistungen. Der 1. FCK war auf Grund der zeitweisen Feldüberlegenheit nach der Pause und mit Hilfe der Spielerpersönlichkeit eines Fritz Walter um diese Kleinigkeit stärker.
Besseres Ergebnis möglich
Dennoch lag für den SC Wismut die Möglichkeit eines noch besseren Abschneidens offen. Zweimal stand unser Oberliga- Vertreter eben noch kurz vor dem Ausgleich, ehe der Gegner die knappe Spielführung weiter ausbauen konnte. So z. B. in der 25. Minute, als erst die Latte für die Gäste rettete und dann Schmidt den Kopfball von Günther aus dem Tor holte. Später, gleich nach dem Wechsel, als Tröger wieder einmal allein durchgebrochen war, flach abschoss und Hölz den Wurf zur Ecke lenkte. Und es bald darauf der Torwart gegen einen Volleyschuss von Wagner seine beste Parade zeigte. Schließlich führte ein umstrittener Freistoß hart an der Schlusslinie – Linienrichter Wolf hob bereits die Fahne zum Ausball – zum wohl schon alles entscheidenden vierten Treffer.
Ja, das Kollektiv des SC Wismut darf mit seiner Leistung vollauf zufrieden sein.
Noch fehlt es den Wismut-Spielern an jener Erfahrung in nationalen und internationalen Großkämpfen, besonders an jenem Geschick im harten Kampf um den Ball, das ihre Spielpartner, wie z. B. Eckel gegen Tröger mehrfach besaßen. Dennoch macht diese knappe und ehrenvolle Niederlage Hoffnung.
Die Forderung muss deshalb lauten: In Zukunft noch mehr Begegnungen mit Klassemannschaften für unsere starken Oberliga-Kollektive!
SC Wismut: Steinbach; Glaser, Müller, Bauer; Karl Wolf, Siegfried Wolf; Wagner, Kaiser, Tröger, Günther (ab 77. Freitag), Viertel
1 FCK: Hölz; Schmidt, Kohlmeyer; Mangold, Eckel, Bauer; Späth, Fritz Walter, Otmar Walter (ab 77. Liebrich), Wenzel, Wodarzek (ab 54. Scheffler)
Schiedsrichter: Reinhardt (Berlin)
Zuschauer: 110 000
Torfolge: 1:0 Wagner (10.), 1:1 O. Walter (15.), 1:2 F. Walter (24.), 1:3 F. Walter (29.), 1:4 O. Walter ( 33.), 2:4 Tröger (40.), 3:4 Tröger (40.), 3:5 Schmidt (78.).