Historisch Vor 50 Jahren – Oberligajubiläum für die BSG Wismut Aue
1971: Wismut Aue feiert zwanzigjährige Zugehörigkeit in der DDR-Oberliga
Knapp acht Wochen nach dem Ende der Saison 1970/71 feierten die Wismut-Kumpel „20 Jahre Oberliga-Fußball in Aue”. Die BSG rief ihre Freunde deshalb auf, am 7. August 1971 zum Festakt ins Kulturhaus nach Schlema zu kommen. Den Organisatoren der Jubiläumsfeier, Kurt Steinbach, Werner Lorenz und Werner Leinhos, waren freudvolle, erlebnisreiche Stunden zu danken. Verdienstvolle Akteure wurden ausgezeichnet, Spieler von Schülermannschaften überreichten Erinnerungsgeschenke. Schnell vergingen die Stunden, randvoll mit Gesprächen, Erlebnisschilderungen, Anekdoten.
Wer es möglich machen konnte, der kam nach Schlema. Einige der Männer, die Wismut trainiert hatten: Fritz Gödicke, Walter Fritzsch, Gerhard Hofmann. Die Spieler der Jahre des schweren Beginns, die das Ansehen ihrer Gemeinschaft wie das der DDR-Auswahlmannschaften der DDR zu mehren wussten: Willy Tröger, Manfred Kaiser, Karl und Siegfried Wolf, Erhard Bauer, Kurt Viertel, Armin Günther, Siegfried Wachtel, Klaus Thiele und Kurt Steinbach, der nach seiner langjährigen Laufbahn die Funktion des Sektionsleiters übernahm, sowie Bringfried „Binges” Müller, von 1964 bis 1968 schon einmal und 1971 erneut Cheftrainer des Oberligakollektivs. Manfred Kaiser, 31mal im Trikot des Nationalkaders, sprach aus, was sie alle empfanden: „Für Wismut zu spielen, bedeutete uns allen außerordentlich viel. Kollektivgeist, mannschaftliches Denken waren bei uns keine Phrasen, an guten wie an weniger guten Tagen. Jetzt dieses Jubiläum mitfeiern zu können, ist ein schönes Gefühl.”
Werner Ebert, Direktor des Bergbaubetriebs Aue, zog Bilanz: „Die hervorragende Arbeit der Kumpel in den Schächten und Betrieben schuf die Voraussetzungen dafür, daß wir uns im Fußball von der niedrigsten bis zur höchsten Spielklasse emporarbeiten konnten. Unser Dank gilt allen Trainern, Übungsleitern, Ärzten und Stadionarbeitern sowie allen ehrenamtlichen Helfern, die mit Herz, Liebe und Verstand für die BSG Wismut Aue gewirkt haben. Die Verantwortung für die Zukunft erfüllt uns mit Optimismus, daß wir auch die kommenden Aufgaben meistern werden.”
„Drei Titelgewinne, ein Pokaltriumph, niemals Absteiger. Die Alten in der Nationalmannschaft geachtet, die Jungen gehen mit Optimismus in die neue Saison”, so lautete eine Schlagzeile in der Fuwo 33 vom 17. August 1971. Ein Anlass, der dem Wismut-Kollektiv für die Saison 1971/72 Ansporn und Verpflichtung zugleich war. Zudem sollte das schwache Abschneiden aus der vergangenen Serie (11. Rang) revidiert werden.
Das neue Trainergespann, der ehemalige DDR-Auswahlspieler „Binges” Müller und Werner Heine (29facher-Nationalspieler, zuvor 1. FC Union Berlin), konnte sich auf ein ehrgeiziges Kollektiv stützen, das sich in der Vorbereitung durch gute Moral und vorbildliche Trainingsbereitschaft auszeichnete. Der damals vierzigjährige Müller meinte zur bevorstehenden 21. Auer Oberligasaison: „Es gilt die mannschaftliche Stabilität zu erhöhen, das Umschalten von Abwehr auf Angriff reibungsloser zu gestalten und in taktischer Hinsicht nach einer Verbesserung zu streben. Gerade Aufwand und Nutzen standen im letzten Jahr in krassem Mißverhältnis. Die Heranführung weiterer junger, hoffnungsvoller Kader und deren systematischer Einbau in den Kader, damit eine kontinuierliche Arbeit für die kommenden Jahre gewährleistet ist. Ich denke da zum Beispiel an Escher, Seinig oder Erler.”
Zum Abschneiden in der vorherigen Meisterschaft gab es kritische Bemerkungen. Vier Heimniederlagen und mangelnde Durchschlagskraft in den Auswärtsspielen nagten am Selbstvertrauen. Nur das bessere Torverhältnis bei gleicher Punktzahl mit Riesa und Absteiger Erfurt bewahrte Aue vor einem Ende mit Schrecken. Schwer wirkten sich die Verletzungen von Dietmar Pohl und Ernst Einsiedel sowie der Tod von Abwehrspieler Volkmar Kaufmann aus. Das Jahr 1971 hatte für Wismut Aue nicht gut begonnen. Ende Januar, mitten in der Winterpause, nahm sich der damals 28jährige Kaufmann das Leben. 58 Tage nach seinem letzten Spiel für Wismut am 12. Spieltag beim BFC Dynamo. Ältere Auer Fans die ihn noch spielen sahen, beschreiben ihn als „Nobby-Stiles-Typ”. Der englische Mittelfeldmann spielte damals für Manchester United und in der englischen Fußballnationalmannschaft, die bei der WM 1966 im eigenen Land Weltmeister wurde. Kaufmann konnte sich förmlich an seinen Gegenspielern festbeißen. Er wirkte unauffällig, aber hart am Mann. Der gelernte Kranführer begann 1958 bei Motor Lößnitz mit dem Fußballspielen. Sein erster Trainer war Lothar Mothes, der Vater von Aues späterem Idol Harald. Kaufmann gehörte seit April 1966 zu Wismut und war seit der Saison 1968/69 unverzichtbares Mitglied der Auer Abwehr. Insgesamt bestritt er 73 Pflichtspiele von November 1966 bis November 1970 und erzielte drei Tore.
Nervlich angeschlagen und im Spielrhythmus gestört, belegte die BSG Wismut Aue in der separaten Wertung der 2. Halbserie 1970/71 nur den letzten Platz mit 9:17 Punkten. Keine Frage, die traditionsreiche Gemeinschaft aus dem Erzgebirge durchlebte ihre kritischste Saison seit ihrer Zugehörigkeit zur höchsten Spielklasse im Jahr 1951.
Am vorletzten Spieltag stellte erst jener Prachttreffer Bartschs in der 90. Minute zum 2:2 gegen den BFC die Weichen ins 21. Wismut-Oberliga-Jahr. Die Jubiläumsfeier zum Zwanzigjährigen konnte damit mit Erleichterung und Stolz über die Bühne gehen. Die Erinnerungen an die Vergangenheit und die Aufgaben der Gegenwart beherrschten die Szene in Schlema. Ein Optimismus, der Wismut Aue auch im folgenden 21. Oberligajahr zu einem ernstzunehmenden Kontrahenten machen sollte.
Text: Burg
Newsfoto: Alte Strategen von einst tauschen am 7. August 1971 Erinnerungen beim Festakt im Schlemaer Kulturhaus aus; von links: Willy Tröger, Walter Fritzsch, Erhard Bauer, Manfred Kaiser, Klaus Thiele, Karl Wolf, Bringfried Müller und Siegfried Wolf.
Fotos: Quellen: Fuwo 33/1970, Archiv Burg
Eintrittskarte: Sammlung Fuchser