Kapitän 2001 - 2002: Holger Hasse
„Das Erzgebirge ist stets Heimat geblieben” - Auer Eigengewächs Holger Hasse war 2001 Spieler des Jahres
Zwischen 1995 und 2002 sowie noch mal in der Zweitligasaison 2004/05 trug das Auer Eigengewächs das Veilchendress. In 160 Pflichtspielen für die Lila-Weißen erzielte der defensive Mittelfeldspieler und Verteidiger dabei acht Treffer. Dreimal gewann Holger Hasse mit den Erzgebirgern den Sachsenpokal. Im Kalenderjahr 2001 kürten ihn die Fans zum Spieler des Jahres. An sein letztes Match im Erzgebirgsstadion freilich hat „Holg”, damals beim FC Carl Zeiss Jena unter Vertrag, denkbar schlechte Erinnerungen. 2017 kehrte der jetzt 40-Jährige ins heimatliche Hartenstein zurück, auch wenn er in Leipzig arbeitet, und „Wismut” war und bleibt sein Herzensverein.
Holger Hasse im Spiel gegen Rot-Weiß Essen am 12.08.2000
Durch Hartenstein, manchmal durch Familien, zog sich schon in meiner Jugend eine unsichtbare Grenze. Die einen drückten Zwickau die Daumen, die anderen Aue. „Für Vater gab es nie ein Wackeln, er nahm mich schon als Fünfjährigen mit ins Lößnitztal. Lebhaft erinnere ich mich an die UEFA-Cup-Spiele gegen Valur Reykjavík und Flamurtari Vlora. Fast immer sind es die Papas, die ihren Sprösslingen die Fußballliebe vererben”, sagt „Holg”. Heute ist Dieter Hasse Rentner, gemeinsam mit den Enkeln und wenn’s klappt auch Holger pilgert der frühere Fahrlehrer zu den Zweitligaspielen nach Aue. Mit sechs begann „Holg” bei der SG Hartenstein zu trainieren, der „Pap” war sein erster Übungsleiter.
Präsident Uwe Leonhardt, Kapitän Holger Hasse und Radek Sionko freuen sich über den 6:5-Finalsieg nach dem Elfmeterschießen am 31. Mai 2002 beim FSV in Zwickau. Damit gewinnen die Veilchen zum dritten Mal in Folge den Sachsenpokal. Mit den Fans feiert er danach aber auch seinen (zwischenzeitlichen) Abschied von Aue (links). Fotos: Frank Kruczynski (5)
Als Neunjähriger wurde er nach Aue delegiert. Udo Ott und der kürzlich verstorbene Hans-Jürgen „Hanser” Thomas, Dieter Weck, Heinz Häcker und Holger Erler hießen seine Lehrer beim Veilchen- Nachwuchs. Mitte der Neunzigerjahre dann der Schritt in die 2. Mannschaft, parallel machte er das Abi, begann Sportwissenschaften zu studieren. Mit Spielerkollegen von damals und Schulfreunden trifft sich Hasse seither regelmäßig.
Kurios: Hasse wechselt auf dem Spielfeld die Hose und sieht dafür Gelb (Aue gegen Eintracht Braunschweig, 12. Mai 2002; 2:1). Mittleres Bild: Holger Hasse, Tomasz Kos und Jörg Emmerich bejubeln den zwischenzeitlichen Führungstreffer durch Skerdilaid Curri am 26. September 2004 im Zweitligaheimspiel gegen Alemannia Aachen. Am Ende lautet das Ergebnis 1:1. Rechts: Am 12. November 2006 kehrt der Erzgebirger im Dress des FC Carl Zeiss nach Aue zurück. In der Zweitligapartie kommen die Jenaer mit 1:5 unter die Räder. In dieser Szene hat Hasse gegen Andrzej Juskowiak das Nachsehen.
Im Mai 1996 bekam der 18-Jährige die ersten vier Einsätze in der Regionalliga. Doch es dauerte noch zwei Jahre, ehe er seinen Stammplatz erkämpft hatte. Immer wieder warfen ihn Verletzungen zurück, lange kam er an gestandenen Spielern nicht vorbei: „Körper und Kopf brauchen Zeit, in den Männerfußball rein zu wachsen. Ich war bei den Junioren Kapitän in der Sachsenauswahl, doch das ist noch mal ’ne ganz andere Schule. Die Alten sagen ja nicht, schön dass du da bist, hier hast du meine Prämie. Es geht immer auch ums Geld. Und wie schnell eine Karriere enden kann, musste mein Spielerkumpel Rico Reinold erfahren. Das war ein richtig Guter, aber nach Verletzungen kam er nie mehr richtig hoch.”
Links: Holger Hasse bei der U19-Sachsenauswahl. Rechts: 2001 kürten sie ihn als Aue-Fußballer des Jahres, dafür erhielt er ein Bild-Unikat von Frank Maschka. Zeichnung: Frank Maschka (Quelle: Archiv Burg)
1998/99 gelang der Durchbruch – 32 Punkt- und fünf Pokalspiele, fünf Tore. Vater Dieter war stolz und der „Gung” allemal. „Ich kam aus dem Auer Nachwuchs, eben noch war ich Balljunge gewesen, nun stand ich selber auf dem Platz, durfte das Hobby bei meinem Traumverein zum Beruf machen. Nicht zu vergessen, wir waren eine tolle Truppe in jenen Jahren”, schwärmt der 40-Jährige. Zu manchem hält er guten Draht, so zu Marco Kurth – „Kurthi” ist jetzt U-17-Trainer bei RB Leipzig – und „Matze” Heidrich, heute Nachwuchs-Leiter beim 1. FC Köln.
Doch warum geht der Auer Fanliebling 2002 zum VfB Lübeck? „Das hatte sportliche Gründe. Die aktive Fußballerzeit ist begrenzt und ich hatte die Chance, mit den Norddeutschen in der 2. Bundesliga zu spielen. Mehr noch: Ich wollte dazulernen, mich woanders beweisen”, so seine Motive. In beiden Jahren in der Hansestadt gibt es Höhen und Tiefen. Unvergessen bleibt der 6:0-Sieg des Aufsteigers gegen Bundesligaabsteiger FC St. Pauli, zu dem „Holg” ein Freistoßtor beisteuerte. Doch schon am fünften Spieltag ein Kreuzbandriss. Zwar ist Holger zur Winterpause ohne OP fit, doch im zweiten Spiel der Rückserie erwischt es wieder das rechte Knie. Eine Verletzung, die ihm danach immer zu schaffen macht. Im zweiten Lübecker Jahr schafft er es mit dem VfB ins DFB-Pokalhalbfinale gegen Werder Bremen, steigt jedoch ab. Hasse eröffnet sich eine neue Chance beim alten Verein: Gerd Schädlich holt ihn 2004 zurück nach Aue, aber nach den Verletzungen findet der Verteidiger nicht zu alter Form. „Für beide Seiten war es nicht zufriedenstellend”, so sein Fazit über jene Saison in der 2. Bundesliga. 19 Pflichtspiele in jenem Jahr sind nicht sein Anspruch. So nimmt er 2005 das Angebot von Jena-Trainer Heiko Weber an. „Die Ärzte hatten mir nichts mehr zugetraut, aber ich konnte es allen noch mal beweisen. Es hat Spaß gemacht und wir sind nach einem Jahr in die 2. Liga aufgestiegen.” Dort ging es zurück ins Erzgebirge, das Spiel der Jenaer in Aue am 12. November 2006 freilich bleibt das bitterste in seiner Laufbahn: „Notbremse gegen Klinka, ich flog nach 18 Minuten mit Rot vom Platz. Und die Aue-Fans feierten: ,Holger, wir danken dir!’ Dabei hatte ich mir gerade für dieses Ostderby so viel vorgenommen Am Ende gewannen die Veilchen 5:1.” Im Winter dann der Wechsel zu Holstein Kiel, drei Jahre bleibt der Erzgebirger dort. Runter in die Oberliga, in der folgenden Saison zurück in die Regional- und noch ein Jahr später hoch in die 3. Liga.
DFB-Pokalspiel der Veilchen gegen Bundesligist Hamburger SV am 27. August 2000. In dieser Szene versucht Aues Abwehrchef Nico Kovac, heute Trainer des FC Bayern München, am Flanken zu hindern. Foto: Frank Kruczynski
Doch 2010 wird Holger Sportinvalide, die Karriere ist vorbei. Das Knie. In seiner Auer Zeit hatte er in den Golfsport rein geschnuppert, in Lübeck lernte „Holg” den Sport richtig, drei Jahre Ausbildung. Acht Jahre arbeitet Hasse in Schleswig-Holstein als Golflehrer. Dann bekommt er Lust auf was Neues. Die norddeutsche Gastro-Marke Campus Suite plant ein Lokal in Leipzig, Holger findet die Idee klasse und leitet seit August ’18 das Geschäft auf dem Leipziger Hauptbahnhof. Ist Chef von 15 Leuten. „Gute Kaffees, leckere Suppen, Pastagerichte und mehr. Schaut doch mal rein!”, weckt der Ex-Fußballprofi Appetit und Neugier. Seinen Lieblingskuchen gibt’s auch, den „Schoko-Soft” holt er selber beim Schelli-Bäck auf dem Eichert ab. „Etliche Aue-Fans haben uns schon entdeckt. Wer im Veilchen-Outfit kommt – Schal, Trikot oder so – bekommt ein Heißgetränk gratis”, verspricht Hasse. Lebensgefährtin Cindy stammt aus Westsachsen, vor vier Monaten ist „Holg” noch mal Papa geworden. Die kleine Familie wohnt in Hartenstein, Holger hat des Jobs wegen noch ein Zimmer in Leipzig. Wenn Zeit ist, schaut er sich Spiele der Veilchen in Aue an: „Das neue Stadion ist sensationell, letzte Saison war ich sieben-, achtmal dort. Das Erzgebirge ist immer Heimat geblieben.” Der FCE sowieso.
In seiner aktiven Zeit trafen sich die Spieler oft beim Schelli-Bäck auf dem Eichert. Mit Wismut-Fan-Urgestein Falk (links) und dem jungen Bäckerei-Chef Alexander Schellenberger (rechts) quatscht er auch jetzt gerne über Fußball, Gott und die Welt. Foto: Olaf Seifert
Text vom Februar 2019: Olaf Seifert
Newsfoto: Foto-Atelier Lorenz