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KOSOVOS FUSSBALLHELD WILL’S NOCH MAL WISSEN

Als ihn Pavel Dotchev Anfang Januar daheim in St. Gallen anruft, freut sich Albert Bunjaku. „Der Trainer hatte mich 2006 zu Rot-Weiß Erfurt geholt – Beginn meiner Karriere in Deutschland und bis heute eine meiner schönsten Zeiten als Fußballer”, sagt der Stürmer und ergänzt: „Als mir Herr Dotchev diese Herausforderung in Aue anbot, brauchte ich nicht lang’ überlegen.” Würde es auch für die Familie passen? Seine Frau Arijeta ist dafür und schon geht’s ans Koffer packen! Zwei Tage nach Pavels Anruf sitzt Albert früh um fünf im Flieger, schwebt abends halb acht in Torre-Pacheco ein. Dennoch läuft er am Tag darauf schon im Test gegen Waasland- Beveren für Aue auf. Der Neue findet sofort ins Team, was seinen Coach nicht wundert: „Albert ist sehr offen und freundlich, geht auf Menschen zu. Hinzu kommen sein Gespür für Tore und die enor me – auch internationale – Erfahrung. Er ist die Persönlichkeit, die wir in unserer Lage brauchen.” Gefunden haben sich Dotchev und Bunjaku per Zufall, wie sich der damals 23-jährige Kosovare erinnert: „Ich hatte Vertrag beim SC Paderborn, bekam aber kaum Einsatzchancen und war sauer. Da lernten sich unsere Frauen kennen und so erfuhr Herr Dotchev von mir – und ich zog nach Erfurt.” Für die Thüringer erzielte der Angreifer in 74 Punktspielen 34 Treffer, feierte dort den Aufstieg in Liga 3. Vollends bekannt wurde „Albi” im DFB-Pokalspiel im August 2008 gegen Bayern München, das zwar 3:4 verloren ging, wo der zur 2. Halbzeit eingewechselte Joker Bunjaku aber zwei herrliche „Kisten” machte. Die ultimativen Karrierehöhepunkte erlebte der Profi freilich im Nationaltrikot. In Nationaltrikots sogar! Sechsmal wurde er in den A-Kader der Eidgenossen berufen, war bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika dabei. Noch emotionaler dann seine Premiere im Dress der Nationalelf Kosovos. Im ersten Länderspiel des jüngsten FIFA-Mitglieds erzielte Albert am 13. Mai 2016 gegen die Färöer gleich das erste Länderspieltor für seine Heimat. Inzwischen gelangen ihm in drei weiteren Auswahlpartien zwei weitere Treffer fürs jüngste Land Europas. Sein Vater hätte von dieser Karriere nicht zu träumen gewagt, als der in die Schweiz ausgewanderte Arbeiter die Familie aus dem Kosovo nachholte. Am 29. November 1983 in der damals noch jugoslawischen Stadt Gnjilane geboren, kam der Sechsjährige in den Kanton Zürich. Nachdem er Basketball, Wintersport und manches mehr probiert hatte, blieb Albert beim Fußball. Beizeiten entdeckten Scouts von Grasshoppers Zürich das Talent vom FC Schlieren. So lernte der Junge in der wohl besten Schweizer Fußballschule, absolvierte parallel die Ausbildung zum Betriebspraktiker. Ursprünglich Außenverteidiger, wechselte „Albi” 2000 zum Zürcher SC Young Fellows Juventus – und in den Sturm. Drei Jahre später folgte mit dem FC Schaffhausen sein erster Profiverein. Im Winter 2005/06 ging es in die 2. Bundesliga, zum SC Paderborn. Via Erfurt kam Bunjaku 2009 zum 1. FC Nürnberg und durfte prompt den Bundesligaaufstieg feiern. In 55 Punktspielen für die Franken traf er 14-mal, ehe ihn Verletzungen bremsten. Beim 1. FC Kaiserslautern fand er 2012 zurück in die Erfolgsspur, wurde zum Kapitän berufen. Nach zwei weiteren guten Jahren bei Erstligist FC St. Gallen ist der Routinier seit 16. Januar 2017 im Erzgebirge, sein Vertrag hier läuft bis 2019. „Ich will alles tun, um erfolgreich zu spielen und die Klasse zu halten. Neben Toren heißt das, jungen Spielern zu helfen und die anderen mitzureißen.” Ehefrau Arijeta und die Kinder Dion (9) und Elina (4) wollen schnell ins Erzgebirge ziehen, die Wohnungssuche läuft. Auch das spricht dafür, dass es der 33-Jährige („Ich bin ein Familienmensch!”) sportlich noch mal wissen will und lang fristig mit Dotchev und dem FCE plant.  Text: Olaf Seifert
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Fotoatelier Lorenz