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Martin Henselin, seit 1951 für Aue am Ball

Er war zehn Jahre Vizepräsident und Sicherheitsverantwortlicher fürs Stadion, war danach Vorsitzender des Ehrenrats und ist heute Stellvertreter: Seit Gründung des FC Erzgebirge vor fast 27 Jahren kämpft Martin Henselin an vorderer Front im Verein. Mit dann 81 Jahren will er zur Mitgliederversammlung im Herbst 2018 nicht mehr kandidieren, sagt: „Das Feld ist gut bestellt, wir haben gemeinsam unglaublich viel geschafft. Das neue Stadion ist ein Riesengeschenk. Jüngere Leute stehen genug bereit, das Werk fortzusetzen.”


Der erste Vorstand des FC Erzgebirge Aue Anfang der Neunzigerjahre am Hotel „Hoher Hahn” in Bermsgrün, von links: Lothar Schmiedel, Eberhard Wiosna, Lutz Lindemann, Martin Henselin, Bertram Höfer, Uwe Leonhardt, Roland May und Helge Leonhardt.

Geboren am 25. Mai 1937 in Ueckermünde und aufgewachsen in Neustettin in Hinterpommern, musste Mutter Klara mit ihren sechs Kindern 1945 zu Verwandten nach Schlema flüchten. Sie besaßen nur, was sie auf dem Leib hatten, je zwei Kinder teilten sich ein Bett. Doch durch Zusammenhalt überlebten die Menschen. Vater Karl, 1947 aus der Gefangenschaft entlassen, arbeitete in der Papierfabrik Niederschlema, wo auch Martin nach der Schule lernte. Der Lohn des Papiermachers war elend und er musste Geld zum kargen Familienbudget beisteuern, trotzdem leistete sich der junge Mann Karten für die Spiele der Auer Wismutmannschaft. „Seit 1951 war ich bei den allermeisten Heimpartien im Stadion. Oft fuhr ich auswärts mit, manchmal sogar im Mannschaftsbus. Vereinsmitglied bin ich aber erst 1976 geworden und nicht bei den Fußballern, sondern den Ringern, weil mein Sohn Mike damals dort im Nachwuchs kämpfte”, erinnert sich der Achtzigjährige. Schon als Lehrling stürmte er für Rotation Schlema in der 1. Kreisklasse und als er später die bewunderten Oberligaspieler selber hautnah kennenlernte, machte ihn das glücklich. Nicht nur, weil die Rasenkumpel gutes Trinkgeld spendierten. Denn das war schon die Zeit, als Henselin als Kellner in den Gaststätten der HO Wismut arbeitete, am liebsten natürlich in der Stadiongaststätte.



Mit Paul Süß würdigt Martin Henselin 2001 einen verdienten Wismut-Spieler, der sich im Rathaus ins Goldene Buch der Sportstadt Aue einträgt. Die Leistungen der Alten im Verein lebendig zu halten, bleibt für den Ehrenrats-Vize und Fan Selbstverständlichkeit und Verpflichtung.

Mit der Wende änderte sich sein Leben radikal; in der Demokratiebewegung politisch aktiv, wechselte er von der Theke ins Auer Rathaus, trug in aufregenden Zeiten als Stadtinspektor für Ordnung und Sicherheit Verantwortung, leitete die DSU-Stadtratsfraktion, saß im Kreistag. Als sein Herzensverein finanziell vorm Aus stand, engagierte er sich mit wenigen anderen, darunter Lothar Schmiedel, Roland May, Bertram Höfer und Klaus Gerber, für den damaligen FC Wismut. „Gemeinsam mit den Verantwortlichen der Fraktionen konnte ich Landrat Heinz-Günter Kraus überzeugen. Über die Parteien hinweg gelang es, ein Bündnis für den Sport zu schmieden. So stellte der Landkreis Aue den Veilchen 775.000 D-Mark zur Verfügung, um den Spielbetrieb zu sichern, Löhne und laufende Kosten zu zahlen. Schließlich übernahm er das Stadion”, erinnert sich der streitbare Erzgebirger und hebt das anhaltende Engegament hervor: „Der Landkreis ist bis heute ein wesentlicher Garant der Erfolge unseres Vereins.” Dieser, bald als FC Erzgebirge neu aufgestellt, war damals fürs Erste gerettet, doch die Abgeordneten hatten Martin bei ihrem Votum für den Sport einen Auftrag erteilt: Kümmert Euch um Sponsoren! Wie seine Mitstreiter beim jungen FCE ging Henselin bei Unternehmern Klinken putzen, schließlich konnte 1993 der Förderkreis gegründet werden, bis heute ein unverzichtbares Sammelbecken für Sponsoren des Kumpelvereins. Mit Gründung des FC Erzgebirge arbeitete Henselin in dessen Führungsgremien mit. Zunächst ein Jahrzehnt als Vizepräsident im Vorstand, hier namentlich für den Abteilungssport zuständig, danach und bis heute im Ehrenrat. Helge Leonhardt, seit 2014 Präsident, kennt ihn seit der Wende, seit dem Beginn des Neuaufbaus unseres Vereins. Dankbar sagt er über seinen Weggefährten: „Vor allem für den Neuaufbau unseres Klubs hat Martin ganz besondere Verdienste. Immer kämpfte er unermüdlich für den FC Erzgebirge. Wenn man ihn braucht ist er da, steht mit Rat und Tat zur Seite. Ich schätze ihn als einen treuen Kameraden und Freund.”


„Wilde Alte” beim Fußballstammtisch, von vorn: links Martin Henselin, Wolfgang Pult, Frank Döhler, Egon Leistner und Sohn Mike Henselin; rechts Roland May, Bertram Höfer, Karl-Heinz Howack sowie Bernd Keller.


Energisch und durchsetzungsstark, verstand es Martin gleichwohl stets, in Streitfragen zu vermitteln, sich selber auch mal zurückzunehmen und das Wohl des Vereins obenan zu stellen. „Ich habe als Kind schon erfahren, wie hart man für seine Ziele arbeiten muss und dass man große Dinge nur gemeinsam erreicht. So wie die 2. Bundesliga oder unser neues Stadion.” Bei dessen Eröffnung im Januar erfüllte sich ein Traum und zugleich stand sein Entschluss endgültig fest, jetzt loszulassen: „Mit 81 wird es Zeit, jungen Leuten Platz zu machen.” Bei sieben Kindern, sechs Enkeln und einem Urenkel wird ihm schon nicht langweilg werden. Bei den „Wilden Alten”, mit denen er früher jeden Donnerstagabend am Ball war, bleibt das Urgestein ein gern gesehender Kumpel und zu den Heimspielen seiner Veilchen will er, gute Gesundheit vorausgesetzt, auf jeden Fall auch in Zukunft gehen. Genauso wie zu den Kämpfen der Auer Ringer.

Text: Olaf Seifert
Fotos: Archiv Henselin
NewsFoto: Ronny Graßer - FC Erzgebirge Aue