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Nachwuchsleistungszentrum: Talenteausbildung in Zeiten der Pandemie

Gut 150 Talente werden im Nachwuchsleistungszentrum (NWLZ) des FC Erzgebirge Aue ausgebildet. Dort trainieren können aktuell die wenigsten, trotzdem bleiben alle am Ball. Wie das funktioniert, erfuhr Olaf Seifert bei Carsten Müller, dem Leiter der Fußballschule des Kumpelvereins.

Wie ist die Lage bei der Nachwuchsausbildung?
Sie ist wie in vielen Bereichen der Gesellschaft stark eingeschränkt. Wir halten uns strikt an die Corona-Schutzverordnungen, die Gesundheit hat absolute Priorität. Wettkämpfe finden derzeit nicht statt. Wir entschlossen uns, den Trainingsbetrieb im Januar in fast allen Bereichen einzustellen. Schüler der Abschlussklassen wohnen hier im Internat, werden bei der Prüfungsvorbereitung durch Sozialpadägogen unterstützt und können unter besonderen Bedingungen trainieren. So wie die Mannschaften der U 19 und U 17, wo die Fußballausbildung nach Tagen gestaffelt stattfindet, um Risiken auszuschließen. Für das Gros der jungen Sportler jedoch entwickeln und nutzen wir digitale Möglichkeiten.

Training im Homeoffice sozusagen, macht das in einer Mannschaftssportart Sinn?
Training zu Hause, dazu gibt es aktuell keine Alternative. Wie das funktionieren kann, dazu haben sich unsere Trainer im Verbund mit den Verantwortlichen im Verein sowie aus den Bereichen Sportpsychologie und -medizin intensiv Gedanken gemacht. Ich bin sehr erfreut, wie diszipliniert und kreativ unsere jungen Veilchen sind. Im Internet, in WhatsApp-Gruppen und weiteren sozialen Medien tauschen sie sich aus, fordern sich gegenseitig zu Wettbewerben heraus. Meine Kollegen und ich bekommen täglich Feedback in Form von Bildern und individuellen Ergebnissen. Man spürt die Leidenschaft, Begeisterung und die Ungeduld, wieder anzugreifen, sobald das möglich ist. Dabei ist Online-Training eine harte Schule. Die Trainer erstellen anspruchsvolle Wochenpläne, es gibt regelmäßige Onlinemeetings. Neben Laufeinheiten, Stabilisations- und Krafttraining geht es ebenfalls um die Weiterentwicklung unserer Spielidee. Die Kontrolle funktioniert dank datenbasierter Apps. Die Großen kommen mit der Technik sehr gut klar, den Jüngeren helfen Eltern und Geschwister. Deshalb Riesendank den Familien, sie unterstützen unsere Fußballausbildung großartig!

Wie seid Ihr für die Zeit nach Corona gerüstet?
Wir treiben die Kaderplanung voran, arbeiten an Ausbildungsplänen und die Trainer bilden sich weiter. Sie nutzen zum Beispiel Onlineschulungen des DFB und andere Qualifizierungsangebote. Das Scouting läuft so gut wie möglich weiter, viele Talente hatten wir ja schon vorm Lockdown auf dem Schirm. Im Winter konnten wir drei Neuzugänge aus Nordsachsen im NLZ begrüßen. Die kommenden Ferien-Veilchencamps werden vorbereitet, genauso wie die Camps für junge Fans im Rahmen der Zweitliga-Heimspiele. Orientierungsgespräche mit den Eltern laufen weiter, jetzt eben digital. Ich bin sicher, viele jetzt entdeckte digitale Notlösungen werden uns nach Corona weiter gute Dienste leisten. Von Trainings-Hausaufgaben über Analysemethoden bis zum Wettbewerb untereinander. So gibt es Team-Challenges unserer U13 mit Altersgefährten eines Vereins aus dem bayerischen Schwabmünchen oder unserer U11 mit den Jungs des FSV Sosa.

Aber es fehlt doch jetzt trotzdem was, auch ganz Wesentliches?
Keine Frage. Es geht effektive Trainingszeit verloren. Es fehlen all die Dinge, die du nur mit der Mannschaft lernst und je länger die Ausnahmesituation dauert, umso schwerer ist es, Langzeitmotivation aufrecht zu erhalten. Den Spielern der U19 fehlt ohne Wettkampf die Möglichkeit, sich zu zeigen und für den Übergang zum Herrenbereich aktiv anzubieten. Wie du als Team agieren musst, das Erkennen und Lösen von Spielsituationen unter Raum-, Zeit- und Gegnerdruck – das verinnerlichst du nur in entsprechenden gemeinsamen Spielformen auf dem Platz. Die jungen Veilchen vermissen ihre Teamkollegen, das gemeinsame Training, den Austausch, aber auch das Herumalbern und lustige Momente in der Kabine, das kann der digitale Kontakt nicht ersetzen. Die Jungs wollen Tore schießen, Teil des Teams zu sein, zusammen Spaß und Erfolg haben.

Wird die Saison fortgesetzt?
Ziel der zuständigen Verbände ist, die Saison bis Juni mit nur einer Spielhalbserie zu beenden. Allerdings weiß niemand, wann es wieder losgehen kann. Dabei ist zu beachten, dass vorm ersten Punktspiel mehrere Wochen Trainingsvorbereitung notwendig sind. Hinzu kommt, dass in den einzelnen Altersklassen bisher unterschiedlich viele Partien absolviert wurden, zwischen sechs und elf Spiele. Dies muss ebenfalls bis Saisonende in Einklang gebracht werden.

Sie sind optimistisch, dass das NLZ die Krise übersteht?
Ja, weil alle Partner sich voll engagieren und lösungsorientiert denken. Die Eltern unserer Spieler unterstützen uns vorbildlich. Der Verein entwickelt sich seit Jahren in vielen Bereichen sehr positiv. Dies kann man nicht alleine erreichen, sondern erwächst aus dem Zusammenhalt vieler. Eindeutige Ansprechpartner und kurze Kommunikationswege zu den Entscheidungsträgern des Vereins sind aus meiner Sicht ebenfalls wichtige Bausteine, die uns in vielen Bereichen geholfen haben, uns weiterzuentwickeln und nicht nur das Erreichte zu verwalten. Der Spagat zwischen dem Etablieren unseres Profiteams in der 2. Bundesliga sowie der Entwicklung unserer Infrastruktur ist der Vereinsführung in den letzten Jahren sehr gut gelungen. Somit konnte sich auch unser NLZ sehr ordentlich weiterentwickeln. Mein Dank gilt hierbei allen Trainern und Betreuern, die mit viel Leidenschaft und Herzblut den Ausbildungsweg unserer jungen Veilchen aktiv begleiten oder begleitet haben. Dennoch wissen wir, dass wir beharrlich arbeiten müssen, damit wir weiterhin unseren Beitrag zur positiven Gesamtentwicklung des Vereins leisten können. An Ideen dazu soll es jedenfalls nicht mangeln.