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Udo Tautenhahn: „IN DEM GEILEN STADION IST LIGA ZWEI EIN MUSS”

Sensationell, was hier passiert! Von diesen Bedingungen haben wir damals nicht zu träumen gewagt. Unser Trainingsacker war braun statt grün, an Sauna oder gar Fitnesslandschaft wie jetzt im Erzgebirgsstadion hätt’ in den Neunzigern keiner gedacht.” Udo Tautenhahn, von 1996 bis 2002 Verteidiger beim FCE, kommt aus dem Staunen nicht raus, als er mit seinem guten, alten Teamkollegen Enrico Barth durch die VIP-Zonen, Katakomben und über den heiligen Rasen des neuen „Old Otto” spaziert.

Das Fußballgen lag in seiner Wiege. Am 2. August 1966 in Stollberg geboren und in Wilkau-Haßlau aufgewachsen, begann er mit fünf, sechs Jahren im dortigen Fortschritt-Verein zu trainieren. Sein Vorbild: Papa Horst. Der hatte zwischen 1957 und 1961 für den SC Wismut Karl-Marx-Stadt in 27 Oberligaspielen fünfmal getroffen, war mit der Kumpelmannschaft ’57 und ’59 DDR-Meister geworden. Der Sohnemann probierte im Laufe seiner Karriere mehrere Positionen, vom Torwart bis zum Angreifer und meist im Zentrum – überall profitierte Udo von Horst Tautenhahns Erfahrungen und Hinweisen. Vor allem Wille, Ehrgeiz und der Spaß am Sport sind Erbgut. 1984, mit 17, stand „Taute” in der Bezirksauswahl und im Endspiel Karl-Marx-Stadt vs. Rostock. Hier muss er den Sachsenring-Scouts wohl aufgefallen sein, denn danach und für die kommenden zwölf Jahre trug Udo das Zwickau-Trikot, bestritt rund 150 Pflichtspiele für die „Schwäne”. Größter Erfolg: 1994 der Aufstieg in die 2. Bundesliga unter Trainer Gerd Schädlich, den er später im Lößnitztal wiedersehen sollte. „Wir Spieler waren damals heiß, trafen uns regelmäßig in einer Kneipe in Ortmannsdorf. Zunächst wurden da die letzten und nächsten Spiele an der Taktiktafel durchgenommen, erst danach gab’s ein Bierchen”, erinnert sich der damalige Mittelfeldregisseur.

1996 wollten die FSV-Verantwortlichen einen Umbruch, für „Taute” stand die Frage Dynamo Dresden oder Aue? „Schon Papas wegen war klar, dass ich zu ,Wismut’ wollte, zumal ich mich dort auf Ralf Minge als Trainer freute”, meint der heute 51-Jährige rückblickend. Zwar hieß sein Coach dann Lutz Lindemann und war „Taute” in Aue häufig verletzt, trotzdem wertet er seine sechs Auer Jahre als wunderschöne Zeit. Mit Keeper Sven Beuckert plus Enrico Barth und Hagen Schmidt stand Udo im Abwehrzentrum dafür, hinten nichts anbrennen zu lassen. An ein Spiel in Dresden erinnert sich der damalige Libero besonders gern: „Wir führen im Harbigstadion 1:0, Dynamo drückt wie verrückt und die Minuten wollen und wollen nicht verrinnen. Da haben Hagen, ,Goofi’ und ich gewettet: Wer den Ball über die Tribüne drischt, hat ’nen Wunsch frei. Balljungs wie heuzutage gab’s damals kaum, also würde es dauern, eh’ die Murmel wieder im Spiel ist.” Kurzum, „Taute” hämmert in die Wolken, Wismut hält den Sieg fest und Udo kriegt seinen Preis: „Was genau der Lohn dafür war, weiß ich heute nicht mehr...”

Sein erstes Pflichtmatch (von insgesamt 149) im Veilchendress bestritt Tautenhahn am ersten Spieltag der Saison 1996/97, das Derby gegen den CFC wurde 1:0 gewonnen. Das letzte, am 4. August 2001 bei Bayer Leverkusen / Amateure, ging 1:2 verloren. Dazwischen gab es einiges zu feiern; so 2000 die Qualifikation für die drittklassige Regionalliga Nord, drei Sachsenpokale, einen RL-Vizemeistertitel hinter Ener gie Cottbus. Bitter: Die Verletzung am rechten Innenband und Meniskus schon in der zweiten Partie der Saison 2001/02 bedeutete für den harten Verteidiger faktisch das Aus. Denn kaum wieder an Deck, war erneut das Knie hin, diesmal das linke. „Ein Jahr später ist Gerd Schädlich mit den Jungs in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Schade für mich, aber nicht zu ändern.” Als Udo im November 2017 mit Enrico Barth durchs neue Erzgebirgsstadion geht, staunt er  Bauklötze. „Eh, davon hätten wir nie zu träumen gewagt! Aber ich kenne ja noch viele im Verein, in Aue wurde immer solide und sauber gearbeitet, das Ergebnis sieht man hier. Ob damals Uwe oder jetzt Helge Leonhardt, das sind Typen, die stehen zu dem, was sie sagen.” Zu meiner Zeit, fügt „Taute” schmunzelnd hinzu, wäre es nicht so professionell wie heute gewesen, eher unorthodox: „Doch das hatte auch was. Ich bekam in sechs Jahren nur fürs erste einen Vertrag, danach hat Lutz LIndemann das immer per Handschlag geregelt. Wie am Familientisch, aber es war okay so.”

Freilich, mancher Kumpel erwies sich nach 2002, als der fast 36-Jährige aufhören musste, als Schulterklopfer. Wenn du einen Job brauchst, ich denk’ an dich! Pustekuchen, die waren abgetaucht. Also kümmerte sich der Wilkau-Haßlauer selber, spielte beim SV Motor Zwickau-Süd in der Bezirksklasse, stieg 2004 mit dem SV Schmölln in die Landesliga Thüringen auf, wurde 2005 als Stürmer (!) beim SV Mosel mit 22 Treffern Kreis-Torschützenbester.

Seit 2011 arbeitet Tautenhahn bei Volkswagen Sachsen, ist rundum glücklich: „Tolle Arbeit, gutes Geld, spannende Perspektive. Wenn du hörst, was VW in die Elektrozukunft investiert und du dabei sein darfst, ist das doch herrlich.”

Was Vater Horst, der im April 2016 starb, und Sohn Udo als Fußballer erreichten, hat die Mutter akribisch im Album gesammelt. Vor allem für ihre Enkel Johnny (7) und Joel (16), die beim SV Muldental Wilkau-Haßlau kicken. Papa Udo schaut häufig zu, wenn seine Jungs um Punkte kämpfen. Früher hatte er selber A-Junioren trainiert, erst in Mülsen St. Niclas und dann, bis 2013, beim FSV Zwickau. Dafür fehlt jetzt die Zeit, doch zu den Auer und Zwickauer Teamgefährten behält Tautenhahn einen guten Draht. Weihnachtsfeiern und Oldieturniere, wie das am 13. Januar 2018 in Chemnitz, gehören dazu. „Für uns Fußballer ging und geht es immer um Sport, um die Freude daran. Rivalität zählt dazu, Hass wie bei einigen sogenannten Fans ganz sicher nicht”, sagt einer, der für Rot und Lila spielte, und das jeweils mit voller Power und ganzem Herzen. Darum freut sich „Taute” auch heute für jeden Sieg der Zwickauer und Auer, leidet bei jeder Klatsche. Sagt: „Der FC Erzgebirge muss die 2. Liga halten, das Potenzial ist da. Erst recht jetzt, in diesem geilen, sensationellen Stadion!”

Text: Olaf Seifert (2017)
Foto: Frank Kruczynski, Waslter Wagner, FCE