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Volker Schmidt: „WO DER BALL IST, MUSS ES WEHTUN”

Mehr als ein Jahrzehnt stand Volker Schmidt in der Veilchenmannschaft, spielte meist auf der Liberoposition. Am 22. November 1957 in Zwickau geboren, begann er mit neun Lenzen bei der BSG Wismut Pirna-Copitz Fußball zu spielen, über Dynamo Dresden kam „V”, wie er schon in der Jugend gerufen wurde, 1980 nach Aue. Heute lebt er mit seiner Frau, der einstigen Weltklasseschwimmerin Ulrike Richter-Schmidt, in Lößnitz-Affalter, arbeitet als Verkaufsleiter im Mercedes-Benz-Autohaus Oppel in Aue. Dort traf ihn Veilchenecho-Redakteur Olaf Seifert.

Du hast die Dynamo-Fußballschule durchlaufen, warum bist Du bei den Veilchen gelandet?
Mit zwölf durfte ich bei Dynamo trainieren, jeden Tag pendelte ich mit dem Zug von Pirna aus hin, ging später auf die Sportschule, lernte parallel Elektronikfacharbeiter. Walter Fritzsch, bekanntlich auch mal ein erfolgreicher Wismuttrainer, hatte mich bei der SGD gefördert und versucht im Oberligakader zu integrieren. Diesen Sprung zu schaffen, war sehr schwer für einen jungen Burschen, galten die Gelb-Schwarzen doch ab Mitte der Siebziger als europäischer Spitzenklub. Ich war Führungsspieler in der Nachwuchsoberliga, erhielt ein paar Einsätze im FDGB-Pokal und in der DDR-Oberliga. Als Trainer Fritzsch gesundheitsbedingt aufhören musste, kam Gerhard Prautzsch und der wollte mich partout nicht. Ich flog aus der ersten Mannschaft und nur in der zweiten eingesetzt zu sein befriedigte nicht. Und am Libero „Dixi” Dörner kam ich nicht vorbei, so ehrlich bin ich heute. Wenn also nicht Dynamo, so sollte es Wismut Aue sein, etwas anderes kam nicht infrage.

Warum der „Schacht”?
Sympathie. Ich bin in Westsachsen geboren, mein Vater war Wismut-Brigadier untertage, erst in Hartenstein, dann in Königstein. Wismut Pirna-Copitz hieß mein erster Verein. Aue war mir sympathisch. So ein Vereinswechsel innerhalb der ersten Liga war zu DDR-Zeiten aber alles andere als einfach. Ich hatte beim Verantwortlichen des Rates des Bezirks Dresden darum gebeten, das brachte die Dynamo-Führung erst recht in Rage. „Hinter unserem Rücken! Dann gehst du eben zu Stahl Riesa!” hieß es nun. Ich blieb stur und hatte Glück, weil meine Frau als gefeierter Schwimmstar kurz zuvor ihre Laufbahn beendet hatte. Je vier WM- und EM-Titel, dreimal Olympiagold in Montreal, dreizehn Weltrekorde – das wog. Schwer genug, um uns den Wunsch zu erfüllen und „V” durfte nach Aue.

Wie fällt Deine sportliche Bilanz im Erzgebirge aus?
Eine super Zeit! Ich weiß die Eckdaten nicht so genau, es dürften um die 310 Punktspiele und 15 Tore gewesen sein, dazu vielleicht ein Dutzend Einsätze im Olympiakader. (Es waren genau 17 Tore in 339 Punktspielen, sechs UEFA-Cup-Spiele und zehn Olympiaauswahl-Einsätze – d. Red.) Ist aber nicht so wesentlich, wichtig bleibt die Erinnerung an den Zusammenhalt der Mannschaft und an tolle Fans, die aus dem ganzen fußballverrückten Erzgebirge kamen, um uns anzufeuern. Welch eine Ehre, hier Stammspieler zu sein! Was für Derbys gegen Karl-Marx-Stadt, Sachsenring oder Dynamo! Abheben durftest du trotzdem nie, denn wir wohnten hier, mussten Fußballer zum Anfassen bleiben. Als es die kleine BSG in den IF- und UEFA-Cup schaffte, waren wir noch stolzer als die Kollegen aus den großen Klubs. Ähnlich ging es Harald Mothes, Steffen Krauß, Jörg Weißflog und mir, nachdem wir in die Olympiaauswahl berufen wurden, wo wir quasi auch die Auer Farben trugen. Aber Niederlagen gab es ebenso, meine bitterste war der Oberligaabstieg 1990.

Du bist danach an Deck geblieben.
Ja, wir wollten wieder angreifen, in die 2. Bundesliga aufsteigen. Der Verein stand praktisch vor einem Scherbenhaufen, Leistungsträger gingen fort und der Wismut-Betrieb, über all die Jahre ein engagierter Unterstützer, zog sich zurück. Trotzdem haben wir Spieler immer unser Geld bekommen und Hut ab vor den Leuten, die den Verein damals am Leben hielten. Ich selber musste mich entscheiden: Noch ein Jahr ran hängen oder besser auf die berufliche Perspektive schauen? Willi Reimann wollte mich nach Norderstedt bei Hamburg holen, das gut dotierte Angebot lehnte ich aber mit Blick auf meine beruflichen Pläne ab. Ich arbeitete damals als Verkäufer bei Auto-Leonhardt, fuhr mittags zum Training und kam sofort nach dem Duschen mit nassen Haaren zurück zur „zweiten Schicht”. Dann wurde ich Verkaufsleiter in Alberoda. Mir fehlte die Zeit, mich fit zu halten, und ich hängte die Töppen im Mai 1994 an den Nagel.

Aber nicht komplett, oder?
Doch, selbst für Oldieturniere fehlte die Zeit. Bloß bei den Donnerstagskickern des FC Erzgebirge bin ich drei-, viermal im Jahr am Ball. Was bleibt, ist der gute Draht zu Wismut-Kollegen, wir Spieler sehen uns einmal im Jahr zur Weihnachtsfeier und manche treffe ich bei den Heimspielen der Veilchen. Ein fester Sporttermin ist sonntags früh um acht ein Waldlauf. Ansonsten habe ich im Garten in Affalter gut zu tun, wandere gerne. Unser Sohn Martin arbeitet wie ich bei der Firma Oppel, bei Mercedes-Benz. Enkelin Florentine hat das Gen meiner Frau und schwimmt. Tochter Nadine lebt in London, drei- oder viermal im Jahr fliegen wir hin, um die anderen beiden Enkel zu sehen. Und dort gehe ich zum FC Arsenal! Das schöne an der Premier League ist, dass du dort super Stimmung erlebst und in Familie hingehen kannst, im Pub treffen sich die Fans verschiedener Teams friedlich beim Bier. In Deutschland haben wir rund um den Fußball leider viel Gewalt und dummes Provozieren. Keine gute Entwicklung.

Kann man den Fußball zu Wismutzeiten und heute beim FC Erzgebirge vergleichen?
„Wir früher hätten das anders gemacht...!” Zu denen, die so reden, gehöre ich nicht. Andere Zeiten, andere Bedingungen. Nur wenn die Einstellung stimmt – oder wie zuletzt gegen Dynamo nicht stimmt – soll so ein alter Fußballer den Mund aufmachen. Der Dynamo-Torwart hat bis zur Pause keinen Ball halten brauchen, es gab nur zweimal Gelb für Aue, dabei einmal wegen Meckerns. Du kannst ein Heimspiel, sogar ein Derby verlieren, wenn du zuvor alles gegeben hast. Wo der Ball ist, muss es wehtun. Nur so hat Aue früher die Klasse gehalten und ich bin sicher, dass das heute nicht anders ist.