20 Sekunden vor der Sensation
Sieg beim Spitzenreiter Ulm war greifbar nah
Hängende Köpfe nach einem Auswärtspunkt beim Tabellenführer, kollektive Enttäuschung trotz Top-Leistung: Der Blick in die Gesichter des FC Erzgebirge Aue nach dem 2:2 beim SSV Ulm sprach Bände. Die Veilchen hatten einen 0:1-Rückstand weggesteckt, gingen nach der Pause hochverdient in Führung und kassierten den Ausgleich wenige Sekunden vor Abpfiff nach einem Querschläger. Bitter für die bärenstarken Gäste aus Aue.
Der FCE musste in Ulm auf den gesperrten Marco Schikora sowie die noch angeschlagenen Omar Sijaric, Linus Rösenlöcher, Niko Vukancic und Maxi Thiel verzichten. Torjäger Marcel Bär nahm nach dreiwöchiger Krankheit auf der Bank Platz, Tim Danhof spielte nach Genesung der Schulter auf ungewohnter Position rechts im Mittelfeld. Beide Rückkehrer hatten maßgeblichen Anteil an einem spektakulären Drittliga-Spiel.
Von Beginn an übernahm das Team um Kapitän Martin Männel die Initiative, lief den Tabellenführer früh an und agierte mutig mit viel Ballbesitz und Spielkontrolle. 15 Minuten lang war der FC Erzgebirge klar Chef im Ring, bevor die Hausherren vor 11601 Zuschauern offensiver wurden und die Partie ausgeglichen gestalteten. Torchancen blieben zunächst Mangelware in einem intensiven und umkämpften Duell. Der SSV wurde vor allem dann gefährlich, wenn der FCE im Bemühen von hinten heraus zu kombinieren Fehler machte. So auch in der 17. Minute, als Marvin Stefaniak an der Mittellinie wegrutschte und Ulm zu einer Doppel-Chance kam. Martin Männel blieb lange stehen, parierte den ersten Abschluss und war auch beim Nachschuss auf dem Posten. Wenig später verlagerte Steffen Meuer klug auf Stefaniak, dessen Steckpass auf Boris Tashchy nicht ganz ankam (18.). Ein Raunen ging durchs Publikum, als Anthony Barylla nach einstudierter Eckballvariante den Flugball von Marvin Stefaniak aus 25 Metern mit vollem Risiko volley nahm und den Ulmer Keeper zu einer Parade zwang (30.). Fünf Minuten vor der Pause ging der SSV dann nach einem Standard in Führung. Den Freistoß von Außen konnte Martin Männel noch parieren, den Abpraller verwandelte Brandt wuchtig zum 1:0 (40.). Allerdings hatte ein Ulmer Mitspieler im Abseits gestanden und in der Schussbahn gestanden. Der FCE lag bei Halbzeit folglich zurück, obwohl er ein richtig gutes Spiel zeigte und es wie Kilian Jakob auch aus der Distanz versuchte.
Nach dem Wechsel verhinderte zunächst Martin Männel mit einer überragenden Glanztat das 2:0 (46.), doch nur vier Minuten später hatte Aue ausgeglichen. Ein sehenswerter Angriff über die Stationen Jakob, Stefaniak und Tashchy landete beim aufgerückten Tim Danhof, der aus Nahdistanz zum 1:1 vollstreckte (50.). Der FCE gab sich damit nicht zufrieden – im Gegenteil. Es begann die stärkste Phase der Gäste. Zunächst verpuffte ein Überzahlangriff auf halblinks (54.), dann hatte Marvin Stefaniak nach Ballgewinn von Steffen Meuer und Querpass von Mirnes Pepic das sichere 1:2 auf dem Schlappen, setzte den aufsetzenden Ball aber aus fünf Metern über das Tor (63.). Anschließend probierte es Erik Majetschak mit links (66.) und nach Flanke von Boris Tashchy bugsierte ein Ulmer Abwehrspieler den Ball mit einer Kombination aus Knie und Hand beinahe ins eigene Tor, der Keeper musste sich mächtig strecken (70.).
Aue blieb am Drücker. Nach 75 Minuten griff dann Marcel Bär ins Geschehen ein und stand kaum eine Minute auf dem Rasen, als er sich per Kopf nach Ablage von Marvin Stefaniak durchsetzte und den Ball an die Latte setzte (76.). Auf der anderen Seite klärten Steffen Nkansah und Anthony Barylla in höchster Not, der diesmal rechts verteidigende Barylla zog sich bei dieser Rettungstat eine Oberschenkelverletzung zu und musste ausgewechselt werden (82.). Anschließend versuchte es Sean Seitz nochmal mit links aus 15 Metern (85.), ehe sich der FC Erzgebirge doch noch belohnte. Mirnes Pepic bediente mit einem klugen Ball in den Tiefe den startenden Marcel Bär, der in unnachahmlicher Manier und langem Schritt den Ball am herauseilenden Torwart vorbei zum 1:2 ins Netz spitzelte (88.).
Der FCE sah wie der verdiente Sieger aus, als Ulm mit dem Mut der Verzweiflung alles nach vorn warf. In der 94. Minute bekamen die Gäste erst einen Freistoß nach Foul an Korbinian Burger nicht und dann auch noch einen Einwurf fälschlicherweise gegen sich. Daraus resultierte ein Linksschuss, der weit am Tor vorbei gegangen wäre – hätte Torschütze Kastanaras nicht den Fuß hingehalten und zum 2:2 aus sieben Metern getroffen. Mitten ins Herz der Veilchen, die um den verdienten Lohn einer sehr guten Leistung gebracht wurden.
Es war ein schwacher Trost für die Lila-Weißen und die knapp 1000 mitgereisten Fans, dass man den SSV vom Thron gestoßen hat und auch laut Ulmer Trainer Thomas Wörle die bessere Mannschaft war.
SSV: Ortag - Gaal, Allgeier, Chessa (Jann 81.), Stoll, Scienza (Röser 81.), Brandt (Ludwig 71.), Yarbrough, Maier, Strompf, Higl (Kastanaras 71.)
AUE: Männel - Barylla (Seitz 84.), Nkansah, Burger, Jakob, Pepic, Majetschak,Tashchy (Schwirten 84.), Danhof, Stefaniak, Meuer (Bär 74.)