Zum Hauptinhalt springen

Als sich die Wismut 1992 zurückzog

Die schwierigen Nachwende-Zeiten liegen schon mehr als 30 Jahre zurück. Vergessen ist die sportliche und wirtschaftliche Ungewissheit vor der Vereinsumbenennung in FC Erzgebirge Aue dennoch nicht.

Im Sommer 1992 stand der FC Wismut Aue vor einer schweren Saison in der Fußball-Amateuroberligastaffel Süd. Eröffnet wurde die Punktspielserie am Sonnabend, dem 1. August 1992, zu Hause um 14 Uhr im Erzgebirgsstadion gegen den FSV Hoyerswerda. Als Dank an seine treuen Anhänger und zur Wiedergewinnung stets fairer Fußballfans gab es zu diesem Heimspiel keinen Kartenverkauf. Die Geschäftsleitung des Vereins teilte mit, dass es auch keine Programme gebe, da noch nach einem kostengünstigen Angebot gesucht werde. Der freie Eintritt lockte zum Oberligaauftakt immerhin über 1.500 Zuschauer ins Erzgebirgsstadion. Bereits am Eingang wurden Handzettel verteilt, die dokumentierten, dass der FC Wismut Aue neue Wege erschließen wolle, um den Kreis der Anhänger wieder zu erhöhen.

In der Vorbereitung wurden sechs Spiele absolviert. Dabei gab es drei Niederlagen (gegen Helmbrechts, Wolgograd und Vestenbergsreuth), zwei Unentschieden (Riesa und Erfurt) und einen Sieg (Greiz). Es galt, eine völlig neuformierte Mannschaft spielfähig zu machen. Denn zu finster sah die Zukunft aus, nachdem der Hauptsponsor, die Wismut AG, alle Verträge zum 30. Juni plötzlich gekündigt hatte. Eine Gesprächsrunde zwischen Aues Präsident Gerd Uhlmann, Geschäftsführer Lothar Schmiedel und Trainer Lutz Lindemann mit dem Geschäftsführer der Wismut AG, Pork, verlief ergebnislos. Varianten, wie zum Beispiel die Sanierung von Fußballklub und Wismut AG zu verbinden, wurden ebenso abgeschmettert wie der Versuch, den Klub über Beschäftigungs- und Ausbildungsverhältnisse für Spieler und Verantwortliche zu erhalten. Es drohte der Ausverkauf, ja sogar die Auflösung. Nur dank einer Finanzhilfe des Landratsamts und der Unterstützung von Sponsoren aus Klein- und Mittelbetrieben des Erzgebirges konnte der Spielbetrieb weitergehen.

Zum Zeitpunkt gab es aber einen ersten Lichtblick, weil Trainer Lutz Lindemann in Aue blieb und mit einem jungen Team den Neuanfang beginnen wollte. Lindemann zählte zu den Staffelfavoriten die Mannschaften aus Zwickau, Bischofswerda, Erfurt und von Sachsen Leipzig. Für Aue selbst gelte es, die Klasse zu halten. Bei allem Optimismus sei aufgrund der Spielerabgänge eine schwere Saison zu erwarten.

Mit deren Beginn setzte der Trainer Ronald Färber als Kapitän ein, was von der Mannschaft akzeptiert wurde. Ronald meinte seinerzeit dazu: „Diese verantwortungsvolle Aufgabe bedeutet für mich, dass ich in Training und Wettkampf mit gutem Beispiel vorangehe, um stets das Beste zu geben. Wir haben keine Stars beziehungsweise Absahner mehr, sondern jeder weiß, dass alle an einem Strang ziehen müssen, um den Klassenerhalt in der Amateuroberliga zu sichern. Trainer Lutz Lindemann hat sich schon jetzt sehr verdient gemacht für den Erhalt des Auer Fußballs. Das sollten auch die Zuschauer mit dem regelmäßigen Besuch unserer Spiele honorieren. Natürlich wollen wir in erster Linie durch engagiertes Auftreten einige Fußballfreunde zurückgewinnen.” In der Trainingsarbeit wurde Lutz Lindemann von Heinz Häcker und Mario Lammel unterstützt, denn Co-Trainer gab es nicht. Die beiden erfahrenen Nachwuchstrainer betreuten die erste Mannschaft dann zu drei Spielen im August 1992, da Lutz wegen seines lange vorher geplanten Urlaubs nicht zur Verfügung stand. Nach einem knappen 1:0-Auftakterfolg im Heimspiel gegen Hoyerswerda mit dem Siegtor von Jan Schmidt kurz vor Schluss verabschiedete sich Lindemann in die Ferien. Er flog aber mit bösen Vorahnungen nach Marokko und glaubte, seine Mannschaft nach den drei nun folgenden Auswärtsspielen in Folge bei seiner Rückkehr schon am Tabellenende. Doch er hatte die Rechnung ohne seine Schützlinge und das Ersatz-Trainer-Duo Häcker/Lammel gemacht. „Wir haben das recht ordentlich gemacht, ohne zu brillieren. Lutz gab uns das Vertrauen, die taktischen Vorgaben waren ja schon gegeben, und am Ende hat uns die Mannschaft respektiert und es auch gut umgesetzt”, erinnerte sich der heute 64jährige Mario Lammel. Nach den zwei torlosen Unentschieden in Zeulenroda und in Meißen ging die Wismutelf dann aber in der Blumenstadt Erfurt ziemlich unter. Obwohl Aue einen Auftakt nach Maß beim Zweitbundesligaabsteiger Rot-Weiß hatte – Färber erzielte nach schönem Doppelpass mit Pfüller bereits in der ersten Minute das 0:1 –, verloren die Gäste noch mit 1:6. Lindemann war da zwar wieder aus dem Urlaub zurück und auch im Stadion, ließ aber die beiden Interimstrainer trotzdem auf der Bank sitzen.

Zum Rückrundenstart in Hoyerswerda Anfang Dezember 1992 stand Aue mit 17:17 Punkten auf einem soliden Mittelfeldplatz. Die 0:1-Niederlage in der Lausitz war zugleich das letzte Spiel unterm alten Namen Wismut Aue. Zwei Monate zuvor, Ende September 1992, wurde der neue Vereinsname gefunden. Ab 1. Januar 1993 trat die Amateur-Oberligamannschaft als FC Erzgebirge Aue an. Zudem wurde der damals 33jährige Unternehmer Uwe Leonhardt von den 72 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern zum neuen Präsidenten gewählt. Die umstrittene Namensänderung des traditionsreichen FC Wismut war zwingend notwendig, weil der Landkreis Aue seine finanzielle Unterstützung davon abhängig machte.

Unmittelbar nach seiner Wahl erläuterte der Präsident die Konzeption des Vorstands: „Mit der neuen Namensgebung dokumentieren wir die Wahrung der Traditionen und die Verbundenheit mit der Region. Unser Auftrag ist es, der stärkste Verein der Region zu sein. Prioritäten und Ziele sollen exakt definiert werden. Der Verein will Heimstatt vieler Menschen werden, die dort ihre Freizeit verbringen. Der Fußball muss leistungsbezogen unter höchster Priorität entwickelt werden. Dafür will der Vorstand versuchen, die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Einen guten Start gibt es, indem der Landkreis Aue bereits Zusagen unterbreitete. Aber auch die Kleinunternehmen und den Mittelstand wollen wir an einen Tisch bekommen und Begeisterung für unseren Verein vermitteln. Wir wollen bei allen Problemen nicht resignieren, sondern nach vorn schauen. Mit der neuen Sportanlage haben wir eine solide Grundlage, die für den Sport erhalten bleiben muss. Die Hoffnungen und Wünsche gehen dahin, dass sich die Menschen in der Region mit dem Verein identifizieren. Wir suchen den Erfolg in einer zielstrebigen und ehrlichen Arbeit!”

Anfang Dezember 1992 wurde zwischen dem FC Wismut und der Bellheimer Brauerei ein Sponsoren-Jahresvertrag unterzeichnet. 50.000 D-Mark zahlte der Haupt- und Trikotsponsor dem Fußballklub für die Saison 1992/93. Zwei Monate später schlug mit 17 Gründern die Geburtsstunde des bis heute so wichtigen FCE-Förderkreises. Ohne jemals in Abstiegsgefahr geraten zu sein, beendeten die Veilchen die Saison überraschend als Siebenter. Das war mehr, als man vorher erwarten durfte. Nach dem Abgang von neun Stammspielern hatte Trainer Lutz Lindemann mit zahlreichen jungen und unerfahrenen Spielern hervorragende Arbeit geleistet und den Grundstein für die nächsten Jahre gelegt. Er hatte es vorzüglich verstanden, die Bedeutung des Vereins in den Kreisen der Wirtschaft und Politik so darzustellen, dass der Auer Fußball ein Hoffnungsträger in der Region bleibt.

 

Text: Burg