Ein Rückblick auf den 2. April 1956: SC Wismut gegen FC Zürich
Züricher schon von der ersten Minute an defensiv
Wismut-Sturm fand nicht das richtige Rezept
Bis in die Schlussviertelstunde dieser internationalen Begegnung, die bei schönstem Sonnenschein ausgetragen wurde, erwärmten sich die 12.000 Zuschauer nicht recht. Es fehlte einfach an den dramatischen Szenen vor den Toren, die solchen Spielen erst die richtige Würze verleihen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Wismut-Elf fast ununterbrochen stürmte und das Geschehen über sehr weite Strecken ausschließlich in der Hälfte der Gäste abspielte.
Es war von Anfang an klar zu erkennen, dass den Zürichern viel daran lag, nach Möglichkeit zumindest ein Unentschieden wie in Dresden und Leipzig zu erreichen. Zu diesem Zweck bauten sie vom Anstoß weg eine massierte Deckung auf, die die Angreifer genau markierte. Dass sie dies trotz des schnellen Tempos, das die Wismut-Elf immer wieder vorlegte, bis zum Schluss schafften, verdankten sie ihrer ausgezeichneten Kondition. Diese ermöglichte es ihnen, mit schnellen und gefährlichen Durchbrüchen zu kontern. Dabei zeigte sich auch, dass der FC Zürich über ein technisch und taktisch starkes Spielerensemble verfügt, dessen Spielweise zwar den Zuschauern nicht immer gefallen mag, jedoch mancher Mannschaft zum Verhängnis werden kann. Eine andere Frage ist natürlich, ob die Elf es bei den vorhandenen Kräften für notwendig hält, dieses System zu spielen.
Bis in die Schlussviertelstunde schien es auch so, dass die Taktik der Gäste von Erfolg gekrönt bleiben würde, zumal sie nach einer etwas verunglückten Ballabwehr von Müller in der 25. Minute durch ihren Halblinken Faeh in Führung gegangen waren. Als dann schließlich Viertel auf Vorlage von Freitag mit einem Fallrückzieher den Ausgleich erzwang, feuerten die 12.000 Zuschauer die Wismut-Elf mit großer Begeisterung an. Schließlich hatte in der 86. Minute Müller nach mehrfacher Abwehr mit einem scharfen Schuss die markierte Deckung überwunden und den längst fälligen Siegestreffer erzielt.
Lob und Tadel gebühren Dr. Weiß im Züricher Tor. Durch sein Können verhinderte er schon in den ersten Minuten durchaus mögliche Erfolge des Gastgebers. Im Allgemeinen jedoch hinterließ er den Eindruck einer gewissen Überheblichkeit. Nicht gerade schön von ihm war es auch, bei Angriffen Spielverzögerungen herbeizuführen.
Hippmann, der weitaus weniger beschäftigt war als sein Gegenüber, wartete mit einigen ausgezeichneten Paraden auf, ließ aber andererseits gewisse Unsicherheiten erkennen. Das Deckungsdreieck vergaß mehrfach das notwendige Aufrücken und beschwor dadurch einige brenzlige Situationen herauf. Bis zur Pause führten die Gebrüder Wolf den Ball oft zu lange, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Stürmer bei der konsequenten und massierten Deckung wenig Gelegenheit hatten, sich anzubieten. Im Sturm, in dem Viertel Trögers Posten (Willis linkes Bein muss noch drei Wochen in Gips bleiben) zufriedenstellend ausfüllte, spielte man recht einsatzfreudig, und es gab keine Ausfälle. Vielleicht hätte man allerdings bei etwas mehr Schussfreudigkeit aus größerer Entfernung Dr. Weiß doch das ein oder andere Mal überwinden können.
Da die Züricher drei unserer Oberliga-Vertretungen kennengelernt haben, interessierte mich natürlich auch ihre Einschätzung. Der Trainer der Züricher, Ossi Müller, betonte, dass die Wismut-Elf das technisch und taktisch reifste Spiel von allen drei Gegnern gezeigt hätte. Besonders freute er sich darüber, dass Wismut so fair gespielt habe, was in Dresden und auch in Leipzig seitens der Gastgeber leider nicht der Fall gewesen sein soll.
SC Wismut Karl-Marx-Stadt gegen FC Zürich 2:1 (0:1)
SC Wismut (rot): Hippmann, Glaser, Müller, Bauer, K. Wolf, S. Wolf, Freitag, Kaiser, Viertel, Günther, Wagner
Trainer: Gödicke
FC Zürich (schwarz-blau): Dr. Weiß, Cavadini, Tächler, Haug (ab 77. Zöllner), Kohler, Mattistella, Martha, Leimgruber, Bleisch, Faeh, Brupbacher
Schiedsrichter: Wolf (Berlin)
Zuschauer: 12 000
Torfolge: 0:1 Faeh (25.), 1:1 Viertel (78.), 2:1 Müller (86.)