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Tabellenplatz als Bestätigung

Interview mit dem Vorstand des FC Erzgebirge Aue

Der fünfköpfige Vorstand des FC Erzgebirge Aue trifft sich jeden ersten Montag im Monat zur turnusmäßigen Sitzung im Ehrenamt, arbeitet im Hintergrund sowohl tagesaktuelle als auch strategische Themen ab. Vor der nächsten Mitgliederversammlung im November 2024 gibt es zahlreiche Schwerpunkte außerhalb großer Schlagzeilen.

 

Roland Frötschner, wie zufrieden ist der Präsident des FCE mit dem Saisonstart der Drittliga-Mannschaft?

 

Roland Frötschner: Mit vier Siegen aus vier Spielen ist dem Team ein Traum-Start gelungen. Das freut uns nicht nur, sondern ist für die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen auch ein echtes Faustpfand. Vor allem, weil die derzeitige Tabellenführung Bestätigung für uns alle ist. Für die Mitglieder und Fans, die mit ihrer Unterstützung immer das Fundament bilden. Für unsere treuen Partner, die ihr Sponsoring gut angelegt wissen. Und für uns als Vorstand, der den Rahmen absteckt und die personellen Entscheidungen der sportlichen Leitung um Matthias Heidrich und Pavel Dotchev mitträgt. Ausruhen werden wir uns auf den zwölf Punkten aber keineswegs. Es gilt, die Entwicklung und Konsolidierung des FC Erzgebirge Aue in allen Bereichen unbeirrt weiter zu verfolgen, auch mal schwierigere Phasen gemeinsam zu überwinden und den Verein zukunftsfähig aufzustellen. Insofern ist Platz eins eine schöne Momentaufnahme. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Volker Schmidt, wie bewertest Du mit der Expertise als langjähriger Profi die bisherigen Leistungen der Mannschaft?

 

Volker Schmidt: Die Erkenntnis ist nicht neu und dennoch erfreulich: Wir haben aus dem Vorjahr eine eingespielte Truppe mit klarer Hierarchie und guter Struktur. Die Verträge erfahrener Spieler wie Martin Männel, Boris Tashchy und Erik Majetschak zu verlängern war genauso wichtig und richtig wie die Verpflichtung der jungen Wilden um Maxim Burghardt, Tim Hoffmann und Mika Clausen. Diese gesunde Mischung gepaart mit Kontinuität auf den wichtigen Positionen in sportlicher Verantwortung sorgten dafür, dass der FCE stabile Leistungen zu einem frühen Zeitpunkt der Saison abrufen kann. Mit zwei Spielen gegen Mitfavoriten und zwei Duellen gegen euphorische Aufsteiger war unser bisheriges Programm beileibe nicht leicht. Mich persönlich freut vor allem, dass die Mannschaft 2024 wieder eine Selbstverständlichkeit in Heimspielen entwickelt hat. Das Erzgebirgsstadion war schon zu meiner aktiven Zeit eine Festung. Die Trauben hingen hier für gegnerische Teams stets hoch. Allerdings wollen wir nicht vergessen: Es sind erst vier Spieltage absolviert. Wir tun gut daran, weiterhin von Spiel zu Spiel zu denken. Jetzt kommt Bielefeld, ebenfalls noch ungeschlagen. Dort wollen sich unsere Jungs erneut beweisen.

 

Apropos Heimspiel: Jörg Püschmann, wie nimmst Du die Stimmung in der Fankurve wahr?

 

Jörg Püschmann: Unsere Fans haben ein feines Gespür. Das gilt für die bedingungslose Unterstützung der Mannschaft, aber auch für emotionale Begleiterscheinungen rund um das Geschehen auf dem Rasen. Jüngst waren der Umgang mit Stadionsprecher Mario Dörfler zwei Tage nach dem plötzlichen Tod seines Vaters und die Verabschiedung von Alex Sesser als Chef der Stadionbrigade Beispiele dafür. Die Resonanz beim Fandialog war ebenfalls erfreulich. Nun wünschen wir uns sehnlichst, dass die Kulisse am Sonntag gegen die Arminia eines Top-Spiels würdig ist. Eine fünfstellige Zuschauerzahl muss unser Anspruch sein. Man sollte die Feste feiern, wie sie fallen. Und wenn der Spitzenreiter seine Serie fortsetzen will, ist das zweifellos ein Fußballfest.

 

Auch wenn der Fußball stets im Vordergrund steht: Thomas Schlesinger, wie steht es um die Finanzen des Clubs?

 

Thomas Schlesinger: Wir produzieren seit geraumer Zeit nur sportliche Schlagzeilen, keine wirtschaftlichen. Das ist ganz in unserem Sinne, wir als Vorstand brauchen keine wöchentliche Aufmerksamkeit oder Berichterstattung. Ich denke und hoffe, dass die Ruhe rund um die Gremien dem FCE perspektivisch zu Gute kommt, die Konstanz im sportlichen Bereich mit längerer Halbwertzeit auf den relevanten Positionen Früchte trägt und wir bei aller Problematik in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten zuversichtlich nach vorn schauen können. Nachdem wir eine elementare Lücke zu schließen hatten und kein Eigenkapital mehr vorhanden war, gleichen wir das Planbudget permanent ab mit dem Ziel eines ausgeglichenen Jahresabschlusses. Das scheint uns 2024/25 erstmals zu gelingen, auch wenn der kurzfristige Ausfall der DFB-Zahlung für den weggebrochenen Liga-Sponsor in Höhe von 200.000 Euro schmerzhaft ist. Grundsätzlich geht es in unserer Herangehensweise nicht zuletzt um langfristige Verträge, die den Verein belasten. Diese Verträge haben in der 2. Bundesliga funktioniert, waren erfüllbar, seit dem Abstieg und der Halbierung des Etats ist die Wirklichkeit eine andere und für diese Realität sind diese Verträge nicht gemacht, wenn ich an Pachtverträge des Stadions und des Internats für den Nachwuchs denke.  Die Hauptfrage, die uns täglich beschäftigt: Was kann sich der Verein leisten? Und was nicht?

 

Worin liegen die größten Herausforderungen für die nahe Zukunft?

 

Thomas Schlesinger: Im Auge haben wir neben den fortlaufenden Kosten vor allem langfristige Aufgaben für strukturelle Veränderungen und Investitionen wie Auflagen zur Sicherheitstechnik, ein geplantes Projekt der Digitalisierung der Geschäftsstelle, die Sanierung einer Parkfläche und des Kunstrasens in der Turnhalle – Themen im Gesamtumfang von fast 500.000 Euro. Altlasten abzuarbeiten, das laufende Geschäft mit Nachwuchsleistungszentrum und allen Abteilungen aufrecht zu erhalten und die Weiterentwicklung nicht aus den Augen zu verlieren ist ein Spagat, der manchmal schmerzhaft ist. Aber die kleinen Schritte und Erfolge der vergangenen 20 Monate lassen uns auch positiv nach vorn schauen.

 

Robert Scholz, Du bist der Vertreter des Förderkreises im Vorstand. Wie beurteilst Du die Zusammenarbeit zwischen Sponsoren und Verein?

 

Robert Scholz: Die wichtigste Komponente für uns als Gremien – da beziehe ich neben dem Vorstand ausdrücklich Aufsichtsrat, Ehrenrat und Rechnungsprüfer mit ein – ist Vertrauen. Das spüren wir und verstehen es als Auftrag und Rückendeckung. Es ist uns gelungen, unsere Sponsoring-Einnahmen um etwa 30 Prozent deutlich zu erhöhen. Doch auch diese erfreuliche Zwischenbilanz ist kein Ruhekissen. Im Bereich Marketing haben wir Steigerungspotential, wollen die vielen mittelständischen Unternehmen noch mehr wertschätzen und besser betreuen. Das ist ein Prozess, der nicht mit einem Fingerschnipp getan ist. Jedem einzelnen Sponsor gilt an dieser Stelle wieder einmal großer Dank für das Bekenntnis zum Verein. Wir wollen vor allem nicht jammern oder immer wieder auf Standortnachteile hinweisen. Ganz im Gegenteil. Unser Zusammenhalt im Erzgebirge kann ein Trumpf sein für uns als sportliches Aushängeschild. Wir brauchen Zuversicht und die Unterstützung von Mitgliedern, Fans, Sponsoren, der Lokalpolitik und dem Land Sachsen. Dafür gehen wir gern in Vorleistung.

 

Jörg Püschmann, wie gestaltet sich die Mitgliederkampagne, die seit 1. Juli 2024 läuft?

 

Jörg Püschmann: Sehr erfreulich. Inzwischen haben wir acht lebenslange Mitglieder, diese Möglichkeit zum Bekenntnis gibt es bekanntlich erst seit Jahresbeginn. Fast 400 neue Mitglieder seit Veröffentlichung der Motivkampagne in Kooperation mit Grafitti-Künstler Boogie haben die Erwartungen übererfüllt, wobei im gleichen Zeitraum durch turnusmäßige Bereinigung der Mitglieder-Statistik einige „Karteileichen“ aussortiert werden mussten. Das formulierte Ziel bleibt bestehen: Wir wollen auch bei den Mitgliedern endlich fünfstellig werden. Für Fußballfans im Erzgebirge darf die Mitgliedschaft beim FCE gern zur Selbstverständlichkeit und zum Bedürfnis werden.

 

Stichwort Nachwuchs: Es sind inzwischen erstaunliche viele Ex-Profis des FC Erzgebirge Aue in die Porsche-Kumpelschmiede eingebunden. Bewusst oder zufällig?

 

Volker Schmidt: Ganz und gar bewusst. Khvicha Shubitidze, Philipp Riese, Jan Hochscheidt, Enrico Kern oder Skerdilaid Curri bringen nicht nur Erfahrungen aus eigenem Erleben ein, sie stehen auch für ein hohes Maß an Identifikation. Hauptaufgabe unserer Ausbildung ist schließlich, die Talente auf die Herausforderungen des Profifußballs vorzubereiten. Mit allen Facetten, die dazu gehören. Unsere Nachwuchsarbeit kann sich absolut sehen lassen. Selten haben so viele Teams der Kumpelschmiede die Landespokale ihrer Altersklassen im umkämpften Bundesland Sachsen mit mehreren Leistungszentren von Dresden bis Chemnitz nach Aue geholt. Glückwunsch und Respekt!

 

Ein Blick voraus: Gibt es bereits Pläne für den Winter 2024/25?

 

Robert Scholz: Die gibt es, ganz konkret sogar. Unsere Profimannschaft wird vom 4. bis 11. Januar 2025 ins Trainingslager fliegen, sich im türkischen Belek bei optimalen Bedingungen auf die zweite Hälfte der Saison vorbereiten. Für die Mitreise hat der Verein gemeinsam mit dem neuen Partner Ullmann-Reisen ein Fanpaket geschnürt, das ab sofort buchbar ist. Wir wollen damit an die Tradition anknüpfen, uns als Verein mit Team und Fans gemeinsam auf kommende Aufgaben einzuschwören. Und weil die Frage mehrfach an uns herangetragen wurde: Auch für das Rückspiel im Europapokal gegen den nordirischen Vertreter Glenavon FC haben wir einen Zeitrahmen abgesteckt, das Spiel wird in der Sommerpause 2025 auf der Insel stattfinden. Noch prüfen wir jedoch den genauen Austragungsort und zusammenhängende Kapazitäten für die Unterkunft vor Ort. Ullmann-Reisen will auch für diesen Höhepunkt zeitnah eine Pauschalreise zugeschnitten auf FCE-Fans anbieten.

 

Roland Frötschner, abschließende Frage: Worauf dürfen sich Sympathisanten des FC Erzgebirge Aue im weiteren Saisonverlauf freuen?

 

Roland Frötschner: Im Idealfall auf eine hungrige, erfolgreiche Mannschaft, auf Fußballfeste im heimischen Stadion, auf ehrliche Arbeit aller handelnden Personen im Verein und auf jede Menge Herzblut in allen Bereichen. Wir wollen authentisch bleiben und transparent, die Basis mitnehmen und teilhaben lassen. Auch wenn es mal unterschiedliche Sichtweisen gibt. Wir stehen mit unserer vergleichsweise kleinen Belegschaft stets vor neuen Herausforderungen und Aufgaben, künftig wird uns zum Beispiel das Thema Nachhaltigkeit auch in Lizenzierungsfragen beschäftigen. Da bedeutet Mehraufwand. Und pünktlich zum 79. Vereinsgeburtstag wollen wir die Wahl zur Wismut-Elf aller Zeiten starten, um beim runden Jubiläum ein Jahr später die Auserkorenen würdig präsentieren zu können. Ein kleines Gremium erstellt aktuell eine Kandidatenliste in den verschiedenen Mannschaftsteilen mit dem Ziel, ein aussagekräftiges Ergebnis zu bekommen. Das allerdings ist noch Zukunftsmusik. Erst einmal fiebern wir dem Heimspiel gegen Bielefeld entgegen und drücken unserer Mannschaft alle Daumen. Der fünfte Sieg in Folge wäre ein Statement, das uns durch die Saison 2024/25 tragen kann.