Aufstieg 2003: Interview mit Torjäger Ronny Jank
Von Cottbus über Berlin bis ins Erzgebirge – insgesamt 114 Spiele absolvierte Ronny Jank für die Veilchen und war mit 13 Treffern in der Saison 2002/03 maßgeblich am ersten Aufstieg der Lila-Weißen in die 2. Bundesliga beteiligt. Zum zwanzigjährigen Jubiläum des Aufstiegs sprach unser ehemaliger Torjäger mit uns über seinen eigenen Weg in den Profifußball, seine Erinnerungen an die Aufstiegssaison und Gerd Schädlich und welchen Anteil er am Neubau des Erzgebirgsstadions hatte:
Ronny, geboren und aufgewachsen bist du in Cottbus. Wie kamst du zum Fußball und wer war dein erstes Idol?
(Ronny Jank): Mein Vater und mein Großvater haben schon in der Oberliga für Energie Cottbus gespielt, also war das natürlich klar, dass auch ich Fußball spiele. Jeder Junge hatte damals einen Ball am Fuß und das geht im Kindergarten dann schon los.
Es war also in die Wiege gelegt und das erste Idol war dann bestimmt der Papa?
Ja, es war in die Wiege gelegt. Dadurch, dass ich bei Energie angefangen habe und man meinen Vater kannte, kamen früh die Vergleiche. Da hat man sich in frühen Jahren schon gesagt, der hat etwas erreicht und das möchtest du auch erreichen.
War er auch Stürmer, so wie du?
Er war auch Torjäger, aber ein ganz anderer Typ. Er war unglaublich schnell und hatte eine unglaubliche Schusstechnik. Seine Ecken und Freistöße waren sensationell. Ich bin ein ganz anderer Typ gewesen. Ich bin größer, stärker und robuster und konnte auch auf anderen Positionen spielen.
Wie ging es bei dir in Cottbus weiter, deine ersten Schritte im Profifußball hast du für Union Berlin gemacht?
Ich habe bis zu B-Jugend bei Energie gespielt, aber dann stagnierten meine Leistungen und es reichte einfach nicht. Ich war noch nicht so weit und bin zu einem kleineren Verein in Cottbus gegangen, bei dem viele meiner Freunde gespielt haben und habe mich dort weiterentwickelt. Ich habe dort wieder Freude gehabt zu spielen und dann kam noch der Leistungssprung und ich habe mit 17 schon im Männerbereich gespielt. Das war damals in der Verbandsliga und als ich über 20 Tore in einer Saison gemacht hatte, kam Ede Geyer zu mir und fragte mich, ob ich nicht zurück in die 2. Mannschaft kommen wollte. Gleichzeitig kam Union Berlin, die hatten mich entdeckt, nachdem sie eigentlich in einem Spiel einen anderen Stürmer beobachten wollten.
Der berühmte Zufall könnte man so sagen?
Ja, das Probetraining am Montag bei Union war eine richtige Katastrophe, ich war richtig schlecht. Mein Lebenswandel zu der Zeit war nicht der eines Profis. Ich habe mit Freunden zusammen gekickt und mein Abitur gemacht, aber auch viel Party gemacht. Das hat man auch gemerkt. Ich habe dann zwei Tage später noch einmal die Chance bekommen und wusste zu überzeugen. Ich stand dann vor der Entscheidung Regionalliga mit Union oder zu Hause bleiben. Wenn man einen wirklichen Schritt machen will, muss man weggehen. Die Einflüsse zu Hause mit Freunden und Familie sind andere als auswärts. Da geht es nur um Sport und nur um Fußball und das habe ich dann gemacht. So fing es dann 1996 an. Ich wollte eigentlich studieren.
Dann kam dir der Fußball dazwischen. Zwei Jahre hast du bei Union gespielt, dann ging es für dich zum FSV Zwickau. Wie führte dich der Weg nach Westsachsen?
Union hatte damals finanzielle Probleme und wollte sich neu aufstellen. Mein Vertrag lief aus und es lief nicht so gut. Ich musste damals auch noch ein halbes Jahr meinen Bundeswehrdienst ableisten. Ich habe damals über meinen Berater Kontakt zu Dixie Dörner bekommen, der damals in Zwickau etwas Neues aufbauen wollte und da ist man sich sehr schnell einig geworden und dann bin ich nach Zwickau gegangen.
Nach dem Abstieg von Zwickau ging es für dich dort nicht weiter und glücklicherweise war Aue direkt um die Ecke. Wer war denn die führende Hand, die dich ins Lößnitztal geführt hat?
Es war so, dass klar war, dass es in Zwickau nicht weiterging und meine Leistungen waren damals in der Rückrunde deutlich besser. Gerd Schädlich kam damals auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht für Aue spielen wollte. Das Angebot habe ich dann natürlich angenommen.
Wie hat sich Aue damals und heute von anderen Vereinen unterschieden?
Ich kann mich erinnern, dass in Aue immer unglaublich herzlich war. Man hat sicherlich auch in anderen Vereinen Leute kennengelernt, die dem Verein sehr zugetan waren, aber in Aue war das immer einen Zacken intensiver. Sie haben dieses Leben im Schacht wirklich auch gelebt und weitergegeben. Dieses familiäre und diese enge Verbundenheit das hat es so nirgendwo gegeben. Das kannte ich vorher nicht, das fand ich toll und das strahlte sich auch auf die Mannschaft aus. Das hat man auch gemerkt und wir haben uns von Jahr zu Jahr entwickelt. Das war der Punkt, warum man so lange geblieben ist.
Hast du noch Erinnerungen an die Zeit, die Mannschaft und speziell an Gerd Schädlich?
Ja, das ist zwar schon lange her. Ich weiß nur, dass die Mannschaft zum Aufstieg und auch danach immer zusammengeblieben ist. Klar wurde der Kader punktuell verstärkt, aber grundsätzlich sind wir so geblieben und haben uns weiterentwickelt, dass wir auch privat viel Zeit miteinander verbracht und gefunden haben. Das war auch ein wichtiger Punkt für den Aufstieg. Gerd Schädlich hat sich auch selbst weiterentwickelt. Er hat viel erlebt und war mit seiner Art sehr speziell. Auch wenn er schon älter war und etwas verschrien, hat er sich immer entwickelt und das war für uns natürlich sehr wichtig.
Die Saison 2002/03 damals war mehr als turbulent. Nach einem guten Start folgte ein Formtief im Winter, mit einem echten Lauf schaffte Aue im Endspurt dann sensationell den Aufstieg. Was war damals der Wendepunkt, oder was hat den Ausschlag gegeben?
Fußball kann man immer schwer erklären, es liegt immer an einfachen und kleinen Punkten, warum Spiele gewonnen werden. Ich glaube, wir haben irgendwann in der Saison gemerkt, dass hier was geht. Ich kann mich erinnern, dass wir vor der Saison Abstiegskandidat Nummer 1 waren. Die Entwicklung damals als Mittelfeldmannschaft hat dann aber gezeigt, dass mehr drin ist. Die Leonhardt-Brüder haben uns damals bewusst gemacht, was es bedeutet, wenn wir erfolgreich sind. Dann kamen die Zuschauer dazu, dann kamen die Spieler dazu. Jeder Spieler hatte in diesem Jahr seinen Moment, in dem er ein Spiel für die Mannschaft entscheiden konnten. So etwas entwickelt sich einfach und ist schwer zu erklären. Wir hatten auch viel Glück und wenig Verletzungssorgen und es passte einfach.
Du warst in dieser Saison mit 13 Treffern der beste Torschütze für den Verein uns maßgeblich am Aufstieg beteiligt. War es auch für dich das beste Jahr in deiner Karriere?
Das kann man schon so sehen. Ich habe dauerhaft gespielt und man hat immer das Vertrauen gehabt, was vorher und nachher nicht mehr der Fall war. Natürlich, wenn man erfolgreich ist und solche Spiele gewinnt, dann ist das schon als positiv zu sehen.
Am 1. Juni 2003 war es dann so weit. Mit einem 1:4 beim Dresdner SC habt ihr den Aufstieg klargemacht. Welche Erinnerungen hast du noch an diesen besonderen Tag?
Ich kann mich erinnern, dass wir es schon gemerkt haben in der Woche davor. Wir waren unheimlich aufgeregt, aber hatten eine enorme Vorfreude. Wir sind mit einer Kolonne von Fans nach Dresden gefahren. Ich habe kein gutes Spiel gemacht, das weiß ich noch. Wir lagen erst 1:0 zurück und hätten alles verspielen können. Aber wie es so ist, da kommen Spieler wie Frank Berger, der das Tor des Monats schießt aus 40 Metern. Das war eben so ein typisches Tor und ein typischer Sieg von uns in dieser Saison, so sind wir aufgestiegen.
Zu deiner Ehrenrettung, du hast vor dem 1:2 im entscheidenden Moment den Dresdner Torwart gestört, sodass Shubitidze das entscheidende Tor machen konnte. Sieht man die bewegten Bilder von damals, hast du auch ein sehr nüchternes Interview nach dem Spiel gegeben.
Ja, so einen Aufstieg realisiert man deutlich später. Ich habe schon ein paar Jahre gebraucht. Es geht auch sofort weiter, du feierst und bereitest dich danach auf die 2. Bundesliga vor und spielst dann dort. Du kannst das gar nicht wirklich Revue passieren lassen. Wenn man jetzt, wie heute 20 Jahre später darüber spricht, merkt man erst, was man damals besonderes geschafft hat und was es bedeutet.
Wie war denn damals der Leistungsunterschied zwischen der zweigleisigen Regionalliga und der 2. Bundesliga? Ist es heute besser, dass die 3. Liga auch eingleisig ist?
Ich denke schon, dass die 3. Liga heute höher zu bewerten ist als die Regionalligen damals. In der 3. Liga würden heute die besten Regionalliga-Mannschaften spielen. Trotzdem war der Sprung damals zwischen der Regionalliga und der 2. Liga gar nicht so groß. Wir haben im ersten Jahr gut mitgehalten und sind Sechster geworden. Wir haben gemerkt, wenn man hart trainiert und hart arbeitet und gesund bleibt, dann kann man das schaffen. Zu der Zeit gab es die typischen Tugenden. Dieses Arbeiten, Kämpfen und sich Einbringen. Da waren individuellen Stärken nicht ganz so im Vordergrund, wie heute. Ich muss aber zugeben, ich habe etwas gebraucht und ich muss mir eingestehen: Ich bin kein Zweitliga-Fußballer (lacht).
Du hattest aber eine starke Rückrunde und beim legendären 3:5 in Karlsruhe hast du ein Tor und eine Vorlage beigesteuert.
Karlsruhe, das war eigentlich das schönste Spiel in der 2. Liga. Da passte eigentlich alles, bei denen gar nichts. Im Wildpark fünf Tore schießen, das macht man nicht im Vorbeigehen. Die ersten 20 Minuten waren nur Anstoß und Tor… Das war auch ein Spiel, das gezeigt hat, dass wir mithalten können.
Trotz einer guten Rückrunde hast du Aue nach der ersten Zweitliga-Saison verlassen. Warum ging es für dich damals nach Osnabrück?
Die Saison ging dem Ende entgegen und ich hatte keinen Vertrag. Ich bin damals auf den Verein zugegangen und habe gefragt, wie es aussieht. Dann kam ein Angebot, wo ich sage, da fehlte mir die Wertschätzung und das Vertrauen vom Verein. So war ich an dem Punkt noch eine Herausforderung zu suchen. Osnabrück wollte mich schon ein Jahr zuvor, da kam der Kontakt dann zustande und dann bin ich den Schritt gegangen.
Du warst nach deiner Zeit in Niedersachsen auch noch beim VfR Aalen. Nach deiner Spieler-Karriere hast du nicht im Fußball weitergemacht, sondern einen anderen Beruf ergriffen. Wie kam es dazu?
2007 ist mein Vertrag in Aalen ausgelaufen, ich hätte sicherlich noch woanders einen Vertrag bekommen. Anfang 30 muss man aber auch eine Entscheidung treffen. Mein Berater hat mir damals zu Dresden geraten. Ich wollte schon vor meiner Karriere Architektur studieren und im Bauwesen arbeiten. Ich habe dann studiert und nach dem Studium ein Unternehmen gefunden. Nach vier Jahren habe ich mich dann selbstständig gemacht und habe das seitdem auch nicht bereut.
Zum Fußball kommt man aber auch dort. Beim Umbau des Erzgebirgsstadions warst auch du beteiligt.
Ich habe 2013 mit Helge Leonhardt und dem Landrat über die bestehenden Pläne gesprochen. Ich habe damals in einem Ingenieursbüro gearbeitet, dass dieses Projekt planerisch umsetzen konnte und so kam der Kontakt zustande. Am Ende hat das Büro den Zuschlag bekommen und den Bau des Stadions auch umgesetzt, aber da war ich schon selbstständig tätig. Aber sicherlich hatte ich damals auch meine Hand ein wenig im Spiel gehabt (lacht).
Verfolgst du noch den Auer Fußball?
Definitiv, leider nicht mehr so häufig vor Ort. Man ist dann schon mit dabei und fiebert definitiv mit. So eine Situation aktuell ist auch eine Chance, so muss man das sehen. Man hat die Möglichkeit, etwas Neues aufzubauen. Mit Matthias Heidrich hat man jemanden gefunden, der unglaublich ambitioniert ist, Ideen hat und mittelfristig den Verein wieder in die Spur bringen kann.
Wie beurteilst du die jüngste Entwicklung im Verein von Außen?
Ich glaube schon, dass es wichtig war, einen Umbruch zu machen. Die Leonhardt Brüder haben unglaublich viel für den Verein getan und sind mitverantwortlich dafür, dass der Verein dort steht, wo er jetzt ist. Aber die Entwicklung geht weiter und Zeiten verändern sich und da muss man mitgehen. Wenn man weiterhin die Ruhe bewahrt und die richtigen Spieler holt, die auch wissen, was es heißt dort zu spielen, kann man langfristig wieder oben angreifen.
Das wünschen wir uns alle, vielen Dank Ronny für deine Zeit und Antworten!
Glück Auf!
Bilder: PicturePoint
Interview: Max Richter