Zum Hauptinhalt springen

Aufstieg 2003: Interview mit Vereinslegende Holger Erler

Als Co-Trainer unter Gerd Schädlich hatte Holger Erler 2003 wesentlichen Anteil am erstmaligen Aufstieg der Veilchen in die 2. Bundesliga und in den folgenden knapp fünf Jahren am Verbleib im Profi-Unterhaus. Mit einem 4:1-Sieg machten die Veilchen am vorletzten Spieltag der Saison 2002/03 das „Wunder von Aue” perfekt und wurden eine Woche später, am 8. Juni, nach einem 2:1-Erfolg über die Amateure von Borussia Dortmund vor 16.000 Zuschauern überdies Meister der Regionalliga Nord. Der am 21. März 1950 im westsächsischen Hohndorf geborene Fußballer bestritt zwischen 1970 und 1985 für die Veilchen 359 Spiele in der DDR-Oberliga und erzielte dabei 78 Tore.

 

Er ist somit Rekordspieler der BSG Wismut und galt seinerzeit als einer der besten Mittelfeldstrategen der Republik. Zum Ausklang der aktiven Zeit als Fußballer hängte er 1985/86 eine Saison bei Wismut Gera dran und verhalf dem DDR-(Zweit-) Ligisten damals mit zum Klassenerhalt. Seit 1986 betreute „Erle” Nachwuchsteams des Kumpelvereins und war ab 1990/91 mehrfach Assistenztrainer auch der ersten Mannschaft. Zwischen 1999 und Dezember 2007 arbeitete Holger als Co-Trainer an der Seite von Gerd Schädlich. Anschließend bildete der Routinier noch mehrere Jahre Talente beim FC Erzgebirge aus.

 

Zum zwanzigjährigen Jubiläum des Aufstiegs sprach Veilchenecho-Redakteur Olaf Seifert mit dem 73-Jährigen, der (mit Ausnahme des Jahres bei Wismut Gera) seit 1970 nie für einen anderen Verein als seine „Wismut” tätig war und heute auf dem Auer Eichert wohnt.

Holger, Du warst in der Saison 2002/03 Co-Trainer, was bedeutet der Aufstieg heute für Dich?

(Holger Erler): Es war ein absoluter Höhepunkt meiner Fußballerlaufbahn, auf jeden Fall der wichtigste Erfolg als Trainer. Und im Rückblick zugleich ein unvergessliches, unbeschreibliches und sehr emotionales Erlebnis. Ich bekomme zwei Jahrzehnte später noch Gänsehaut, wenn ich an das entscheidende Spiel am 1. Juni beim Dresdner SCF denke, das wir 4:1 gewannen. Ich habe die Bilder vom Autokorso vor Augen und das lila-weiße Meer im Rudolf-Harbig-Stadion. Und weiß noch gut, wie die Mannschaft abends im Schönburgschen Hof in Affalter das „Wunder von Aue” feierte. Noch fantastischer dann die Aufstiegsfeier am 8. Juni: erst im Erzgebirgsstadion und dann im Triumphzug durch die Stadt zum Rathaus. Der Aufstieg vor zwanzig Jahren war Lohn harter Arbeit im Team und Basis für alles, was der FC Erzgebirge bis heute geschafft hat.

 

Wann stand das Ziel aufzusteigen fest?

Keinesfalls schon zu Saisonbeginn. Präsident Uwe Leonhardt und der Vorstand verlangten, vorne mitzuspielen. Der Start verlief durchwachsen, aber insgesamt erfüllten wir die Vorgabe in der Hinrunde. Man sah, dass die Mannschaft von Woche zu Woche stabiler auftrat. Wir waren auf allen Positionen stark besetzt und für die Gegner nicht ausrechenbar. Plötzlich spürte man, da könnte was gehen… Ich weiß nicht mehr genau, wann das genau war, schon nach dem 3:0-Heimsieg Mitte April gegen den CFC oder erst dem 3:2-Erfolg über Aufstiegsaspirant Wattenscheid Ende des Monats? Jedenfalls zogen sich Gerd Schädlich und ich in seinem Büro zurück. Bundesliga gucken und unsere Spiele analysieren, so wie immer. Diesmal aber fragte mich Gerd, was wir machen sollten, wenn die Chance sich bietet. Wenn nicht jetzt, wann dann? „Jetzt müssen wir versuchen aufzusteigen!”, waren wir uns einig. Von nun an hieß der Kurs Aufstiegskampf – fürs Trainerteam, die Mannschaft und für die Vereinsspitze. Nach außen hielten wir den Ball weiter flach, Du kennst ja Gerd.

 

1999 kam Trainer Schädlich vom Erzrivalen aus Zwickau, was dachtest Du damals?

Ich war überrascht. Jeder in Aue hatte die Ereignisse der Saison 1990/91 im Kopf, als wir am grünen Tisch um die Chance, in Bundesliga zwei aufzusteigen, gebracht wurden. Ich erlebte das damals im Trainerteam von Klaus Toppmöller mit, Gerd trainierte den FSV. Doch der Mut der „Leos”, genau diesen Trainer ’99 nach Aue zu holen, zahlte sich aus. Und ihm den Erler zur Seite zu stellen war bestimmt auch kein Zufall…

Falls Gerd nicht sofort Erfolg „im Schacht” gehabt hätte?

Gut möglich. Dann hätte ich mit meiner Wismut-Geschichte die Gemüter im Umfeld wohl beruhigen sollen, zumal ich mit in der Verantwortung stand. Doch es ging gut, meine Zeit unter und mit Cheftrainer Gerd Schädlich war großartig, unvergesslich und vor allem erfolgreich. Schon in Gerds erstem Jahr gelang die Qualifikation für die Regionalliga Nord, quasi die 3. Liga, 2003 folgte das „Wunder von Aue”, der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Und es folgten bis 2007 mindestens ebenso große Wunder: Von den „Fußballexperten” stets als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt, gelang dem kleinen Aue vier Jahre lang teils souverän der Klassenerhalt.

 

Wie lief die Zusammenarbeit mit Gerd?

Das Verhältnis war stets vertrauensvoll, offen und wir standen laufend im engen Kontakt. Wir haben alles Wichtige besprochen. Ein- und Auswechslungen gingen wir vor jedem Spiel durch. Klar für mich war, Gerd ist der Chef. Ein Chef, der sich auf mich in jeder Situation verlassen konnte. Nicht nur das Verhältnis zu ihm war ein sehr gutes, auch der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft und der Charakter der Führungsspieler waren herausragend. Wohl das wichtigste Erfolgsrezept für den Aufstieg und die sensationellen Jahre in der 2. Bundesliga! Das waren ja fast alles zuvor namenlose Spieler.

Wie Skerdilaid Curri oder Nikolče Noveski?

Zum Beispiel. „Skerdi” aus Plauen geholt zu haben, darf ich mir übrigens auf die Fahne schreiben. „Nik” hätten wir herzlich gerne behalten, er konnte später in der Bundesliga überzeugen. Würde ich alle nennen, vergäße ich garantiert einige, deshalb: Man schaue sich die Kader aus der Aufstiegssaison und in den Zweitligajahren bis 2007/08 an. Die meisten Namen sprechen für sich und viele Spieler von damals dürfen bis heute als Vorbilder gelten. Speziell, was Einsatz, Charakter und Einstellung angehen. Auch deshalb, wegen der sprichwörtlichen Auer Tugenden, lohnt ein Blick zwanzig Jahre zurück. Drei Profis möchte ich trotzdem nennen: Andrzej Juskowiak, Tomasz Kos und Thomas Paulus. Sie hatten schon viel erreicht im Fußball, als sie nach Aue kamen, „Jusko” als polnischer Nationalspieler war sogar ein Star, ganz ohne Allüren freilich. Die drei waren in jeder Situation eine Bank.

 

Wäre das zwanzigjährige Jubiläum nicht ein Anlass, die Aufstiegs- und Zweitligahelden von damals einzuladen?

Da ist für Ende August etwas in Arbeit im Rahmen des 850-jährigen Stadtjubiläums von Aue. Ich engagiere mich dabei als Stadtrat und mit meinen Fußballkontakten. Was genau passiert, wird erst verraten, wenn alles in Sack und Tüten ist. Jedenfalls freue ich mich sehr, Weggefährten aus den 2000er-Jahren bei uns zu begrüßen.

Interview: Olaf Seifert

Bilder: Frank Kruczynski, Holger Erler und Olaf Seifert