Vor 20 Jahren: Das Wunder von Aue
01. Juni 2003 - es läuft die 63. Spielminute. Glühend heiß brennt die Sonne auf den stumpfen und trockenen Boden im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion. Tausende Fans sind den Veilchen aus dem Erzgebirge gefolgt und lautstark schallt es aus der Kurve. Die Sensation liegt in der Luft, der FC Erzgebirge Aue steht vor dem Aufstieg in die 2. Bundesliga. Über eine Stunde hat sich der Gegner eisern gewehrt, nun kontern die Lila-Weißen und wollen die Entscheidung erzwingen. Wieder fliegt die Kugel in den Strafraum, wieder kommen die Veilchen zum Abschluss und diesmal zappelt endlich das Netz. Khvicha Shubitidze knallt einen Abpraller in die Maschen und schickt die Veilchen auf die Siegerstraße und damit in die 2. Bundesliga - heute vor 20 Jahren.
Niemand hatte mit den Veilchen gerechnet, für viele war der FC Erzgebirge vor der Saison ein Abstiegskandidat aus der Regionalliga Nord. Nach sechs Siegen aus den ersten sieben Spielen waren diese kritischen Töne aber passé. Die Mannschaft um Jörg Emmerich, Matthias Heidrich und Ronny Jank fegte zu Beginn durch die Regionalliga und blieb auf Tuchfühlung mit den direkten Aufstiegsplätzen.
Selbst ein kurzes Formtief und das zwischenzeitliche Abfallen auf Tabellenplatz 7 konnte die Mannschaft von Trainerlegende Gerd Schädlich nicht stoppen. In beeindruckender Manier gewannen die Lila-Weißen elf der letzten zwölf Ligapartien und zogen an der Konkurrenz aus Essen, Dresden und Wattenscheid vorbei. Am vorletzten Spieltag war es dann so weit, tausende Veilchen-Fans traten die Reise nach Dresden an. Beim bereits abgestiegenen Dresdner SC konnten die Erzgebirger die Sensation schaffen und den Aufstieg in die 2. Bundesliga perfekt machen. Die Hausherren hielten über eine Stunde wacker dagegen und verlangten den Veilchen alles ab. Zur Halbzeit stand es 1:1. Khvicha Shubitidze, Frank und Gregor Berger machten mit ihren Treffern im zweiten Durchgang dann alles klar. Mit 1:4 gewannen die Erzgebirger und feierten gemeinsam mit ihren Fans den Aufstieg.
Der Leitwolf auf dem Feld war der Tscheche Petr Grund, der zusammen mit Nikolce Noveski die beste Abwehr der Liga dirigierte. Seine Qualitäten hatte er nicht nur in der eigenen Hälfte. Mit acht Treffern war er entscheidend am Aufstieg beteiligt und legendär waren seine direkten Ecken. Gleich dreimal zirkelte der Abräumer und Kapitän der Veilchen einen Eckstoß direkt in den gegnerischen Kasten. Das schönste dieser Tore gelang ihm dabei ausgerechnet im Derby gegen Dresden.
An der Seitenlinie stand Gerd Schädlich, dem in dieser Saison im Erzgebirge sein Meisterstück gelang. Er schaffte das Wunder von Aue und führte die Veilchen erstmals in die 2. Bundesliga. Mit Ehrgeiz, Disziplin und ehrlicher Arbeit formte er mit seinem Co-Trainer Holger Erler eine Mannschaft, die als Einheit nicht nur Spiele entscheiden konnte, sondern Großes erreichte. Nach dem Aufstieg in Dresden ließ Schädlich seine Männer besonders hart trainieren und so machte das Team eine Woche später gegen Dortmund II vor über 16.000 Fans auch die Meisterschaft in der Regionalliga Nord perfekt.
Fünf Jahre lang sollten die Veilchen in der 2. Bundesliga bleiben. Heute vor 20 Jahren kehrte der Traditionsverein aus dem Erzgebirge zurück auf die Fußballkarte Deutschlands.
Glück Auf!
Bilder: Frank Kruczynski, V. Scharkus, K. Steffan
Text: Max Richter